Kulturmanager, Literat & Satiriker


12. November 2021

Die Präsinnen

Weiber Regiment nimmt selten ein gut End, belehrte die Welt Martin Luther, der am 31. Oktober des Jahres 1517 seine Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum, wahrscheinlich nicht an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg nagelte, sondern seine 95 Thesen einem Brief an den Erzbischof von Mainz, Magdeburg und Bischof von Halberstadt, Albrecht Kardinal von Brandenburg, beifügte, der in seiner Reliquiensammlung ein Ei besaß, welches nicht ein Huhn, sondern der Santo Spirito, der Heilige Geist, die dritte Person der Trinität gelegt hatte.

Der Professor der Theologie, und Augustiner-Mönch, Martin Luther, der in seiner Disputatio die Buße, das Fegefeuer und den Ablasshandel thematisierte, und die Menschen bis heute wissen ließ: Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht, tut Buße (Matthäus 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll. Und so lässt uns die Nachtigall von Wittenberg, wie ihn der Schuster und Poet Hans Sachs aus Nürnberg titulierte, wissen, dass die Ablasshändler irren würden, wenn sie den Gläubigen sagten, dass jede Strafe erlassen werde.

Wer denkt da nicht an Deutsche Banken, Sparkassen und Volksbanken, wenn diese durch ihre Berater Wertpapiere den Kundinnen und Kunden verkaufen, auch wenn diese möglicherweise keinen größeren Wert haben als ein päpstlicher Ablass, denn immer noch handelt der Papst mit Ablässen, auch Franziskus, der Jesuit, denn er gewährt jeder Frau und jedem Mann, der seine Kirchensteuer bezahlt, durch den Segen Urbi et Orbi einen solch vollkommenen Ablass all seiner Sündenstrafen, und dafür muss man nicht einmal nach Rom reisen, den kriegt man auch Ostern frei Haus, wenn man auf dem Sofa oder im Sessel sitzt, über das ZDF, mit dem Zweiten sieht man angeblich besser, oder die ARD, bequemer geht’s wirklich nicht.

Aber vom Ablasshandel zurück zu den Frauen, die Martin Luther auch mit den Worten bedachte: Wenn Weiber beredt sind, ist das nicht an ihnen zu loben. Und der Gottesmann war auch der Meinung, das es den Weibern am Verstand mangele. Und da verwundert es schon, dass auf der EKD-Synode in Bremen im Jahre 2021, gleich drei Frauen in die höchsten Ämter der Kirche des Reformators, 475 Jahre nach seinem Tode, aufstiegen, während Papst Franziskus, wenn er an den Synodalen Weg in Deutschland zu denken gezwungen wird, sich Frauen auch in den weiteren 2000 Jahre seiner katholischen, wie apostolischen Kirche nur als Nonnen, doch nicht als Priesterinnen, Bischöfinnen und Päpstinnen vorstellen kann. Und da Jesus von Nazareth auch keine Botschaft aus dem Himmel sendet und senden wird, wie er sich seine „wahre Kirche“ vorstellt, seit seiner Himmelfahrt schweigt er beharrlich, im Gegensatz zu seinen Theologen, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Und darum verwundert es, dass Donald John Trump noch immer keine Kirche gegründet hat, um im Jahre 2024 als Papst seiner Church of Victory wieder ins White House einzuziehen und einen God state of the United States zu gründen, vor dem es selbst Putin und Xi Jinping, wie auch den Ayatollahs von Teheran und den Imamen von Mekka, Medina Riad und Rom grausen würde, dabei hat er an seiner Seite eine Frau, die ihn coachen könnte, die Evangelistin Paula White, die mit Gott Millionen verdient, und mit dem eigenen Business Jet von church service zu church service fliegt. Und auch bei dem Sohn von Billy Graham, dem Maschinengewehr Gottes, der machine gun of God, Franklin Graham, dem Evangelisten und Pastor der Evangelistic Association, könnte sich Donald John Trump Rat holen.

Doch zurück zu den Frauen der Kirche Martin Luthers, der von den Frauen eine Meinung hatte, die schlechter nicht sein konnte und der der Nachwelt auch diese Worte hinterließ: wenn die Frau nicht will, kommt die Magd. Der Mann aus Wittenberg war schon sehr originell, der in Worms vor dem jungen Kaiser Karl V. stehend angeblich gesagt haben soll: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Was immer der Gottesmann Luther gesagt hat, vor allem über die Frauen, und das war nicht schmeichelhaft, 463 Jahre nach seinem Tod wurde mit Margot Käßmann, der Landesbischöfin von Hannover, die erste Frau zur Ratsvorsitzenden in der Geschichte des Protestantismus und mit Annette Kurschus, der Ledigen und Kinderlosen, der Präses, sprich leitenden Geistlichen von Westfalen, die zweite Frau in das höchste Amt der Kirche Martin Luthers gewählt. Und da aller guten Dinge drei sind, wählten die Gottesfrauen und Gottesmänner im Dom zu Bremen im November des Jahres 2021, der dem Mann geweiht ist, der den Herrn im Palast des Hohepriesters Kaiphas zu Jerusalem dreimal verriet, die Bischöfin von Hamburg, Kirsten Fehrs zu ihrer Stellvertreterin und die 25-jährige Anne-Nicole Heinrich zur Präses der EKD-Synode. Doch muss es nicht Präsin anstatt Präses heißen? Die Präsin, die Präsinnen, oder doch der die das Präses?

Und was sagen die Bischöfe der Katholischen Kirche über den Frauenpower, wenn sie auf ihre Konkurrenz im God-Business schauen. The Business with God, war schon immer ein glänzendes Geschäft, denn schon Julius Caesar bestach die Senatoren auf dem Kapitol um Pontifex Maximus der Römischen Religion mit ihrer Vielzahl von Göttern zu werden, und er musste nach seiner Wahl Gallien erobern, um seine Bestechungsgelder zurückzuzahlen, und sein Großneffe, Gaius Octavius, der erste Kaiser des Imperium Romanum, der sich Augustus nannte, machte ihn zum Gott, denn es war immer schon einfach Götter zu machen – oder Heilige, man denke nur an Papst Johannes Paul II., der 26 Jahre, 5 Monate und 17 Tage Pontifex Maximus war, niemand machte mehr Heilige als der heilige Pole, denn die Päpste übernahmen den Titel von den Kaisern Roms.

Die erste Synode in der Geschichte der Kirche war das Apostelkonzil von Jerusalem im Jahre 802 römischer, beziehungsweise des Jahr 49 christlicher Zeitrechnung, und im Jahre 325 beschloss das Konzil von Nicäa unter dem Vorsitz Kaiser Konstantins I., des ersten Christen in der Genealogie römischer Kaiser, das Jesus von Nazareth der Sohn Gottes wäre, eines Wesens mit seinem Vater, Jahwe, der seine Karriere als christlicher Gott, als Gott der Juden begann, und der in der Genesis zu Moses sagt: Ich bin der Herr dein Gott, der dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthaus geführt hat. Und dann auch gleich hinzufügt, denn er ist ein sehr eifersüchtiger Herrgott: du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Und diese Worte haben die römischen Päpste als Nachfolger der römischen Kaiser verinnerlicht, denn in der Präambel des Grundgesetzes des Status Pontificius steht, dass der Papst als Souverän des Vatikanstaates die absolute legislative, judikative und exekutive Gewalt besitzt. Da wundert sich selbst Wladimir Putin und stellt an sich die Frage, warum bin ich nicht auf diesen Verfassungs-Text für mein Imperium Russicum gekommen. Ich hätte Johannes Paul II. fragen müssen. Und wer kann sich nicht vorstellen, dass die Päpste diese Macht, die sie über den Kirchenstaat ausüben, nicht gerne auf Rom und Italien von den Alpen bis zum Ätna und über diesen hinaus ausdehnen würden, wie von 756, der Schenkung von Sutri bis zum Jahre 1870, als diese Macht an den Grenzen zum Königreich Neapel und zur Republik Venedig endete, was zur Folge hätte, dass niemand an den Lago di Garda, nach Venedig, Rimini und Rom weiterfahren könnte, der nicht auf dem Brenner, das katholische Glaubensbekenntnis, das Symbolum niceum memorieren könne, welches niemand großartiger vertonte als der Protestant Johann Sebastian Bach in seiner „h-Moll-Messe“, Bachwerkeverzeichnis 232.

Die römische Kirche hat keine demokratischen Strukturen, nicht die geringsten, und darum schauen Franziskus und die Mitglieder seiner Kurie mit Argwohn auf den synodalen Weg, der in dem religionspolitisch zweitgeteilten Land der Deutschinnen und Deutschen mit äußerster Zaghaftigkeit verfolgt wird. Die Frauen von Maria 2.0 fordern von der Männerkirche des Franziskus und all seiner Vorgänger bis zurück zu dem Manne, der den Rabbi Jesus aus Nazareth in Galiläa, dreimal verriet, und über dessen Grab sich die Kuppel Michelangelos seit dem Jahre 1593 erhebt, 47 Jahre nach Martin Luthers Tod – die Aufhebung des Pflichtzölibats, den Zugang der Frauen zu allen kirchlichen Ämtern, also zu den Weiheämtern der Priesterinnen und Bischöfinnen, und die Aufklärung der Missbrauchsfälle. Was die Missbrauchsfälle angeht, wird die chiesa della carità, die Kirche der Nächstenliebe, sich Zeit lassen, bis die Opfer sexueller Gewalt durch segnende Priesterhände sich biologisch erledigte – Tod, wo ist den Stachel, Tod, wo ist dein Sieg? – und bis eine Priesterin oder Bischöfin in einer katholischen Kirche oder Kathedrale die Gemeinde segnet, werden wahrscheinlich noch viele Frauen der Lutherkirche den drei Präsinnen Kurschus, Fehrs und Heinrich in ihren Ämtern folgen



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