Kulturmanager, Literat & Satiriker |
09. Juni 2024
Brigitte Bierlein, die erste und einzige Bundeskanzlerin der Zweiten Republik von Österreich, starb am 3. Juni in Wien. Sie war die Frau, die als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts durch Bundespräsident Alexander van der Bellen als Bundeskanzlerin, unter dem Bild der Kaiserin Maria Theresia von Habsburg-Lothringen, in der Wiener Hofburg am 3. Juni 2019 angelobt wurde, um als parteilose Beamtin einem Kabinett der parteilosen Experten vorzustehen, das lautlos, doch effektiv, das Kabinett Sebastian Kurz ablöste, der jedoch wieder auferstand aus den Niederungen der Politik, um erneut, nach ihr, sein zweites Kabinett zu bilden, mit dem er dann, Tu Felix Austria, vom 7. Jänner bis 11. Oktober 2021 regierte, um wiederum im Sumpf der Korruption der Alpenrepublik unterzugehen.
Doch war das schon das Ende im politischen Leben des Sebastian Kurz, oder darf Österreich auch noch ein dritten, viertes und fünftes Kabinett Sebastian Kurz erleben, denn er war und ist der einzige unter den Bundeskanzlern der II. Republik, der zweimal angelobt wurde, oder wird Herbert Kickl, der Mann der FPÖ, der Freiheitlichen Partei Österreichs, in das Palais am Ballhausplatz im Herbst, wenn die Blätter fallen, einziehen, wo in den Jahren 1814 und 1815 der Wiener Kongress stattfand, an welchem Kaiser, Könige, Fürsten und Kirchenvertreter, wie Ercole Kardinal Consalvi teilnahmen, um Europa nach dem politischen Ende Napoleons unter dem Staatskanzler Clemens Fürst von Metternich neu zu ordnen, und neue Grenzen zu ziehen.
In der Geschichte Österreichs haben zwei Frauen bisher die höchste politische Regierungsverantwortung innegehabt: Brigitte Bierlein, geboren am 25. Juni 1949 in Wien und gestorben am 3. Juni 2024, die als promovierte Juristin zur Generalstaatsanwältin und Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtshofes der Alpenrepublik aufstieg, und danach als Bundeskanzlerin berufen, für sechs Monate Österreich regierte, 219 Jahre nach dem Tode Maria Theresia von Habsburg, von Gottes Gnaden römische Kaiserin, Königin von Ungarn, Böhmen, Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien etc. etc., Erzherzogin zu Österreich, Königin der Lombardei und Venetien, Großfürstin der Toskana, von Ober – und Niederschlesien etc.etc., die, im Jahre 1717 geboren, von 1740 bis 1780 regierte, und hier schließt sich der Bogen zu Brigitte Bierlein, der promovierten Juristin, die in der II. Republik Österreich 14 Vorgänger und bisher 3 Nachfolger hatte.
Maria Theresia, Frau Kaiser Franz I., deren Sohn, Kaiser Joseph II., Mitregent seiner Mutter von 1765 bis zu deren Tod, von 1780 bis 1790 als Alleinherrscher als König von Böhmen, Ungarn Kroatien und Erzherzog von Österreich amtierend, leitete bedeutende Justizreformen in dem Kaiserreich derer von Habsburg ein, welche die Patrimonialgerichtsbarkeit der Grundherrn ebenso einschränkte, wie die Kompetenz vieler Stadtgerichte, was die Mutter von 16 Kindern jedoch nicht davon abhielt eine Keuschheitskommission im Jahre 1752 unter dem Jesuiten Ignaz Parhamer zu gründen, die, ausgerechnet unter den Jesuiten, den außerehelichen Geschlechtsverkehr, wie die Homosexualität bekämpfen sollte, und diese Institution zu der auch die peinliche Untersuchung und die Züchtigung der Frauen und Männer gehörten bestand bis in die frühen Jahre des 19. Jahrhunderts, denn wie schrieb Giacomo Casanova in seinen Memoiren: Schändliche Spione, die man Keuschheitskommissare nannte, waren die unerbittlichen Quälgeister aller hübschen Mädchen; die Kaiserin hatte alle Tugenden, nicht aber die Duldsamkeit, wenn es sich um unerlaubte Liebe zwischen Mann und Frau handelte.
Die Zeiten sind vorbei, in denen in Österreich die katholische Religion das Leben der Menschen von der Wiege bis zur Bahre bestimmte, doch es war Franz Schubert, der es trotzdem wagte im Credo seiner lateinischen Messen die Worte et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam nicht zu vertonen, dabei wurden seinen Messen ausschließlich in den Kirchen aufgeführt, und das in Wien, der Stadt, in welcher auf 5 Einwohner ein Spitzel kam, ohne die Beichtväter, die sine confessoribus, denn der Goldene Saal der Musikfreunde Wien wurde erst am 6. Jänner 1870 eingeweiht.
Bis zu ihrem Lebensende weigerte sich die erzkatholische Kaiserin von Gottes Gnaden, Toleranz gegenüber anderen Religionen walten zu lassen, die Auflösung des Jesuitenordens durch den Papst fand nicht ihre Zustimmung, die vertrieben Protestanten aus Wien, Prag, Budapest und weiteren Städten des Riesenreiches – im Jahre 1804 lebten circa 21 Millionen Einwohner auf einer Landfläche von 698.700 Quadratkilometern, die Fläche des heutigen Österreichs beträgt 83.882 Kilometer im Quadrat, auf der am 1. Jänner 2023 laut Statistik 9.104.772 Menschen lebten – wurden in menschenleeren Gebieten, wie in Siebenbürgen, dem Banat oder in der Batschka angesiedelt. Auch ihre Judenverordnungen war restriktiv, zu der die Bartpflicht und der gelbe Stern gehörten, doch ihre Hofjuden, wie Wertheimer, Schlesinger und Hirschl durften ihre Paläste finanzieren, wie Schloss Schönbrunn, die Karlskirche und weitere Prachtbauten, und ihr Feind war der König von Preußen, Friedrich der Große, der Flötenspieler von Sanssouci, der ihr Reich verkleinerte, in dem er ihr im Siebenjährigen Krieg Schlesien entriss.
Der Trauergottesdienst für Maria Theresia, die im Gegensatz zu Brigitte Bierlein nur 63 Jahre alt wurde, fand im Jänner 1781 statt. Und das Requiem für Brigitte Bierlein, die 22 Tage vor ihrem 75. Geburtstag, dem 25. Juni starb, wird am 14. Juni, 243 Jahre nach dem Requiem für Maria Theresia zelebriert. Zelebrant im Jahre 1781 war der Kardinalerzbischof von Wien Christoph Anton von Migazzi, geboren im Jahre 1714 in Trient, der, bevor er Fürsterzbischof von Wien wurde, als Botschafter der Kaiserin in Madrid amtierte.
Zelebrant des Requiems für die erste Kanzlerin der II. Republik Österreich und die erste Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtshofes in der Geschichte Österreichs ist der amtierende Erzbischof von Wien: Christoph Maria Michael Hugo Damian Peter Adalbert Schönborn, eigentlich von Schönborn, geboren am 22 Jänner 1945 in Watislaw auf Schloss Skalken im Reichsgau Sudetenland, der im Alter von 18 Jahren in den Orden der Dominikaner, dem Orden der Sanctae Romanae et universalis Inquisitionis eintrat.
Sieben der vierzehn Bundeskanzler der II. Republik Österreich, ausgerufen im Jahre 1945, leben noch, nämlich Franz Vranitzky, Viktor Klima, Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern und der jüngste unter ihnen – Sebastian Kurz, der Vorgänger und Nachfolger der Professorin Dr. Brigitte Bierlein, und zu ihren Nachfolgern avancierten Alexander Schallenberg, und der amtierend Karl Nehammer. Die 28. Nationalratswahlen finden im Herbst statt, und in den Meinungsumfragen liegt die FPÖ, des Herbert Kickl mit 29 Punkten an der Spitze aller Meinungsforscher, die mit dem Slogan wirbt: EU-Wahnsinn stoppen und die sagt: Österreich zuerst.
Am 12 November 1918, nach dem Untergang des Kaiserreiches Österreich, wurde die I. Republik ausgerufen, am 18. Dezember wurde das Frauenwahlrecht eingeführt, doch bis 1920 durften Prostituierte nicht wählen – Kaiserin Maria Theresia grüßte aus der Kapuzinergruft, und einer der Bundeskanzlern der I. Republik war der Priester und Professor für katholische Dogmatik, Dr. Ignaz Seipel, der zweimal als Kanzler von Österreich amtierte, und den die Sozialdemokraten als „Prälat ohne Gnad“ und „Blutprälat“ betitelten. 29 Männer regierten Österreich vor und nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland, unter ihnen Dr. Engelbert Dollfuß, Dollfuß wurde am 25. Juli 1934 ermordet, und Dr. Kurt Schuschnigg, die einen klero-faschistischen Ständestaat errichteten, dem Beispiel Benito Mussolinis folgend.
29 Männer und eine einzige Frau – Brigitte Bierlein, die, bevor sie zur Kanzlern angelobt wurde, Präsidentin des Verfassungsgerichtes war, also die oberste Hüterin der Verfassung im Bundesstaat Österreich, regierten den Alpenstaat nach dem Untergang des Kaiserreiches Österreich, welches von 1848 bis 1916 von Kaiser Franz Joseph I. regiert wurde, der im Alter von 18 Jahren durch den Familienrat zum Kaiser proklamiert, am 24.Juni 1859, im Alter von 29 Jahren die Schlacht von Solferino und damit die Lombardei an Napoleon III. verlor.
Wer an Österreich und seine Geschichte denkt, wie die der übrigen Staaten von Europa, denkt zwangsläufig auch an die Schweiz, deren höchstes Regierungsorgan seit 1848 der Bundesrat ist, ein Kollektiv aus sieben Persönlichkeiten, von denen eine oder einer für die Dauer eines Jahres als Bundespräsidentin oder Präsident amtiert, turnusmäßig, und der Bundeskanzler die politischen Entscheidungen umsetzt.
Derzeit gehören dem siebenköpfigen Kollektiv drei Frauen und vier Männer an, davor waren es vier Frauen und drei Männer, und der Schweizer Bundesrat schaute seit 1848 zu, wie die Kaiserreiche von Deutschland, Frankreich, Österreich und Russland, die Königreiche von Bayern, Württemberg, Preußen, Sachsen, Italien, der Staat der Päpste, die Weimarer Republik, das Großdeutsche Reich Adolf Hitlers, die UdSSR und DDR untergingen. Übrigens: die Schweiz hat auch einen Bundeskanzler oder eine Kanzlerin, welche die Beschlüsse des Bundesrates verwirklicht. Und von 2007 bis 2015 war die Bundeskanzlerin der Schweiz, als Nachfolgerin von Annemarie Huber-Hotz, Corina Casanova.
Am 14. Juni wird die bisher einzige Bundeskanzlerin in der Geschichte Österreichs in einem Staatsakt geehrt und in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof beigesetzt, auf welchem viele bedeutende Frauen und Männer ruhen, auch Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms, Franz Schubert und Johann Strauß Vater und Johann Strauß sein Sohn, der Walzerkönig, und im Stephansdom findet das Requiem für Brigitte Bierlein statt, und vermutlich wird die Totenmesse von Mozart erklingen, dessen Leichnam am 6. Dezember 1791 am gleichen Orte eingesegnet wurde – Lacrimosa dies illa.