Kulturmanager, Literat & Satiriker


Warum nicht eine Frau

15. September 2020

Im Jahre des Herrn 1212 gründete Dietrich der Bedrängte das Kloster Sankt Thomas zu Leipzig, und eine am 20. März 1212 von Kaiser Otto IV. auf dem Reichstag zu Frankfurt am Main besiegelte Urkunde gilt als Gründung des Chores, denn zum Stift der Dominikaner gehörte eine Klosterschule, die den geistlichen Nachwuchs heranbilden sollte, um die Leipziger und Sachsen noch inniger mit der Kirche von Rom und zu ihrem ewigen Heil zu verbinden.

Die Knaben, die Mönche, Weltpriester oder gar Bischöfe werden sollten, hatten in den Gottesdiensten mit ihrem Gesang die Gläubigen zu erfreuen, denn die Kraft der Musik war schon im hohen Mittelalter bekannt, während die Heilkraft der Musik erst in unserem Jahrhundert in ihrer ganzen Bedeutung erkannt wird, und dies, obwohl schon in der Antike die Musik als Heilkraft bei Depressionen und anderen Krankheiten der Seele und des Leibes eingesetzt wurde.

Die höchste Blüte erreichte wahrscheinlich der Chor, als Johann Sebastian Bach, durch den Rat der Stadt im Jahre des Herrn 1723 zum Thomaskantor gewählt wurde, obwohl er nicht die erste Wahl der Herren des hohen Rates gewesen, der unter dem Bürgermeister des Jahres 1723, Adrian Steger junior tagte, denn der Herrscher über die Sächsinnen und Sachsen im Jahre des Herrn 1723, Friedrich August I. von Sachsen, als August der Starke bis heute berühmt, der Vater nie gezählter Kinder, die er außerhalb des Ehebettes zu zeugen beliebte, es sollen mehr als dreihundert gewesen sein, ließ die Bürgermeister alljährlich rotieren, ein Prinzip, welches seit 1848 auch den siebenköpfigen Bundesrat der Schweiz auszeichnet, der derzeit aus drei Frauen und vier Männern besteht, oh glückliche Schweiz, denn der Bundespräsident der Schweiz ist im Jahre 2020 eine Frau – Simonetta Sommaruga, heimatberechtigt in Lugano und Eggiwil und Bundesrätin für das Department Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, und von 2010 bis 2018 leitete Frau Sommaruga das Eidgenössische Justiz – und Polizeidepartment. Und da stellt sich schon die Frage, was wäre die Welt ohne die Macht der Frauen. Aber der Essay soll nicht von Kanzlerin Merkel handeln, die sich der täglichen Berichte über ihre Taten und Untaten erfreut, sondern von Frau Professorin h.c. Alexandra Röseler.

Ich war immer fasziniert von der Gesangstechnik der Knaben und Jung-Männer des weltberühmten Chores, denn – oft saß ich in den Konzerten und Motetten des Thomanerchores, dessen Klangpracht schon Martin Luther erfreut haben muss, als dieser, während der Leipziger Disputation, man stritt über Gott und die Welt vom 27. Juni bis 15. Juli, und als man auseinander ging war der Protestantismus geboren – ohne eine hohe Gesangstechnik sind die Werke Bachs auf diesem Niveau nicht zu singen. Man kennt die bedeutenden und weniger bedeutenden Thomaskantoren, und nur einer bleibt und blieb bis heute allgegenwärtig – Johann Sebastian Bach. Aber wer sind die Gesangslehrer der Knaben, wer sind die Frauen und Männer, die durch ihre vorbildliche Arbeit und ihr Können die Leistungen dieser heranwachsenden Männer erst möglich machen?

Die Sängerin Alexandra Röseler lernte ich im Jahre 2013 kennen. Aus Anlass des hundertjährigen Jubilars Richard Wagner, las ich in der Kuppelhalle der Commerzbank aus meinem Roman Warum Bayreuth, und auch Professor Dr. Udo Reiter, der Intendant des MDR, war der Einladung der Commerzbank-Verantwortlichen gefolgt, um seinen ehemaligen Leiter der Hauptabteilung Klangkörper, Hubertus Franzen, zu hören. Und nach meinem Vortrag, auch die Oberbürgermeisterin von Bayreuth, Brigitte Merk-Erbe, war gekommen, denn es war eine Veranstaltung der Richard Wagner Gesellschaft, stellte sich mir eine zauberhafte Dame vor – Alexandra Röseler. Ich hatte nie vorher den Namen der Pianistin und Mezzosopranistin gehört, die im Jahre 1988, einem Jahr vor dem Ende der DDR, den Preis der Klassik Stiftung Weimar gewann, und in Europa, Amerika, Südafrika, Japan und China auftrat und 2012 für ihre künstlerischen Leistungen und für ihre Leistungen als Pädagogin mit der Ernennung zur Professorin h.c. gewürdigt wurde, und ab dem Jahre 2010 alljährlich zu Konzerten und Meisterkursen in das Reich der Mitte, China, eingeladen wurde und wird, unterbrochen im Jahre 2020 durch die Corona-Pandemie, die das Musikleben rund um den Erdball zum Stillstand brachte – die Apokalypse schlechthin.

Doch als ich Alexandra Röseler in einem Liederabend hörte, wusste ich plötzlich, warum der Thomanerchor diese einzigartige Gesangskultur in seinen Konzerten und Motetten weltweit demonstriert oder Thomaner aller Altersstufen in den Konzerten im Bach-Museum Leipzig, die unter dem Titel Aus den Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach stattfinden, ihre hohe Gesangskunst, gemeinsam mit der Gründerin, Alexandra Röseler, die am Flügel oder dem Cembalo die jungen Sänger begleitet, die Konzertreihe ist seit Jahren ein großer Gewinn für die Bachstadt, zu beglückenden Ereignissen machen.

Alexandra Röseler war es auch, die am 1. Juli 2011 im Palast der Fürsten von Monaco sang, als Son Altesse Sérénissime le Prince Albert Alexandre Louis Pierre Rainier Grimaldi die südafrikanische Schwimmerin Charlene Wittstock heiratete, und bei diesem Ereignis alle dabei sein wollten, die immer dabei sein wollen – koste es was es wolle.

Die Frauen sind dabei, auch im Musikleben die letzte Bastion zu erobern, dass der Dirigentin, und Frauen wie Joana Mallwitz, die im Corona-Jahr bei den Salzburger Festspielen debütierte, Karina Cannelakis, die Chefdirigentin des Nederlands Radio Orchester, und erste Gastdirigenten des London Philharmonic Orchestra, die Liste der Pultvirtuosinnen wird immer länger, die in den Konzertsälen und Opernhäusern ihren männlichen Kollegen das Fürchten lehren, beweisen, dass die Allein-Herrschaft der Pultlöwen unwiderruflich abläuft.

Die katholische Kirche mit ihrem Pontifex, dem lustigen Jesuiten, mit dem Namen Franziskus, der einer Frau auf die Finger schlug, die sich erdreistete, seinen Corpus sacralis auf der Piazza San Pietro zu berühren, sträubt sich noch gegen Frauen als Priesterinnen und Bischöfinnen, während in den Kirchen der Reformation Frauen im ‚Weinberg des Herrn‘ arbeiten. Der Gott der Juden und Christen hat gegen Frauen als Verkünderinnen der Botschaft der Nächstenliebe scheinbar nichts einzuwenden, denn weder hat man eine Unmutsäußerung von Ihm vernommen, noch hat Er ein Strafgericht für den Fall angekündigt, dass man nicht die Pastorinnen und Superintendentinnen der Kirchen der Reformation dem Kirchen-Teufel anheim gibt, auch hat er akzeptiert dass der Papst der Church of England kein Mann, sonder eine Frau ist – Queen Elisabeth II., die seit 1952 bis heute, also im Corona-Jahr, bereits 68 Jahre regiert. Selbst Alexander Gauland, die Stimme der AfD, und Björn Höcke, möchten sich nicht vorstellen, dass unsere Kanzlerin solange regiere wie die Päpstin der Church of England, die nicht an Rücktritt, sondern an Boris Johnson denkt, denn wer ist geeigneter das Vereinigte Königreich zu regieren, als der Mann mit dem wilden Blondhaar, der an das Märchen vom Struwelpeter erinnert? Aber die Queen hat seit Winston Churchill, der Bomben auf Dresden regnen ließ, bereits 14 Premiers überlebt, darunter zwei Frauen, was soll die Queen also noch erschüttern?

In Leipzig dauert die Regierungsperiode eines Oberbürgermeisters seit dem Jahre 1994 sieben Jahre, davon kann Frau Merkel nur träumen, bei der die Periode nur vier Jahre beträgt, die auch die Sachsen belehrte, dass der Islam zu Deutschland gehöre, auch sagte sie – wir schaffen das, während zur Zeit als Johann Sebastian Bach Angestellter der Stadt an Pleiße und Weißer Elster war, die Bürgermeister nur für ein Jahr im Auftrage des Kurfürsten die Stadt regierten. Die Kurfürsten wussten warum, und Alexandra Röseler gab ihr Debüt als Konzertsängerin in der Stadt des Buches im Alter von 15 Jahren, und es war Hinrich Lehmann-Grube, SPD, der, von 1990 bis 1998 amtierend, dabei ihrem Gesang lauschte, der in seiner Freizeit Bratsche spielte, wie sein Nachfolger Wolfgang Tiefensee – Cello. Gepriesen sei die Stadt, die solch musikalische Oberbürgermeiser hat.

Johann Sebastian Bach musste mit den Bürgermeistern Adrian Steger und Jacob Born jun., wie mit Christian Ludwig Stieglitz leben, die sich alljährlich ablösten, und ihm das Leben, nach allem was die Nachwelt zu wissen glaubt, nicht leicht machten. Gotthold Schwarz ist seit dem Jahre 2016 der 17. Thomaskantor nach Johann Sebastian Bach, ein Bassbariton, der als Konzert- und Oratorien-Sänger tätig gewesen, seit 1979 als Stimmbildner der Thomaner tätig war, und Honorarprofessor für die Kunst des Gesanges an der Hochschule für Musik und Theater ist, die von Felix Mendelssohn-Bartholdy gegründet wurde, dem Wiederentdecker der Musik Johann Sebastian Bachs.

Die Pastorinnen der Gemeinde von Sankt Thomas zu Leipzig im Jahre des Herrn 2020, dem Jahr, in welchem Frau Merkel, nicht nur die Kirchen und Bordelle schließen ließ, auch Schulen, Universitäten und Biertempel, heißen Britta Taddiken und Jutta Michel, auch gibt es einen Pfarrer mit dem Namen Martin Hundertmark. Und wäre die Stadt Leipzig nicht auch bestens bedient, wenn der 18. oder 19. Thomaskantor nach Johann Sebastian Bach eine Frau, eine Thomaskantorin wäre?



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