Kulturmanager, Literat & Satiriker


10. August 2022

Nacht über Bayreuth

hieß das Buch Friedelind Wagners, der Enkelin des Meisters von Bayreuth, Richard Wagner, welches im Jahre 1945 erschien, der die Götter der germanischen Welt in seinem Opus Der Ring des Nibelungen der Vergessenheit entriss, indem er sie auf die Bühne seines Festspielhauses stellte, dass er durch seinen Mäzen, König Ludwig II., dem vierten König von Bayern, im hohen Norden von dessen Königreich errichtete. Und die Götter und Göttinnen Germaniens haben Menschen in aller Welt, getragen durch seine Musik und ihrer Leitmotive immer wieder fasziniert und verzaubert, die im Jahre 1876 zum ersten Male erklang.

Der Dichter, Komponist und Dirigent Richard Wagner war auch der Regisseur seiner Werke, der in der Revolution der Jahre 1848/49 als königlich-sächsischer Hofkapellmeister, gemeinsam mit Gottfried Semper, dem genialen Architekten, auf die Barrikaden in Dresden stieg, um für die Freiheit – und Menschenrechte zu kämpfen, und, steckbrieflich gesucht, mit Hilfe seines Freundes, Franz Liszt, dem Hofkapellmeister in Weimar, in die Republikanische Schweiz fliehen konnte, die sich 1848 als parlamentarischer Bundesstaat an Stelle des bisherigen Staatenbundes konstituierte. Es war das Jahr, in welchem Marx und Engels Das Kommunistische Manifest veröffentlichten, und nach der Niederschlagung der Revolution im Kaisertum Österreich ein achtzehnjähriger durch den Familienrat zum Kaiser bestimmt, als Kaiser Franz Joseph I. den Viel-Völkerstaat 68 Jahre regieren sollte, doch den Untergang der Kaiserreiche Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn, wie der Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg, und mehr als 30 Herzog – und Fürstentümern in Deutschland nicht mehr erleben musste.

Richard Wagner war der Dichter seiner Texte, die er mit Musik überhöhte, und Thomas Mann schrieb über den Dichter Wagner im Jahre 1937: Wagners Dichtertum anzuzweifeln schien mir immer absurd. Was gäbe es dichterisch Schöneres und Tieferes als Wotans Verhältnis zu Siegfried, die väterlich spottende und überlegene Neigung des Gottes zu seinem Vernichter, die Liebesabdankung der alten Macht zugunsten des Ewig-Jungen? Die wundervollen Laute, die hier der Musiker findet, verdankt er dem Dichter.

Im Revolutionsjahr 1848 begann Wagner, der Hofkapellmeister des sächsischen Königs Friedrich-August II., der ihn steckbrieflich verfolgen ließ, mit dem Entwurf der Nibelungen Sage und am 15. Dezember vollendete er die Ring-Dichtung. Dann vergingen 10 Jahre bis zur Niederschrift des Vorworts, und am 26. November 1864 teilt König Ludwig II. seinen Entschluss dem väterlichen Freunde mit, der König war 19 Jahre jung, für den Ring des Nibelungen ein monumentales Festspielhaus zu bauen, und dass er Gottfried Semper beauftragt habe, auf dem Isar-Hochufer diesen Tempel der Musik zu errichten, in welchem das Volk staunend zur Kenntnis nehmen solle, dass es vor dem christlichen Gott, dem Gott der Erzbischöfe von München und Freising, dem in Bethlehem zur Regierungszeit des Kaisers Augustus geborenen Jesus von Nazareth, schon Götter gab, nämlich Wotan, Fricka und Freya, die Göttin der Liebe.

Das Ring-Theater König Ludwig II. wurde nicht in München, sondern in Bayreuth verwirklicht und man denkt unwillkürlich an den heutigen Bayern-Herrscher, Markus Söder, den vom Volk erwählten, der, so darf vermutet werden, das Aus für den Konzertsaal des Bayerischen Rundfunk-Symphonieorchesters verkünden wird, nachdem die Bayern ihn wieder mehrheitlich gewählt haben, doch vielleicht ist er auf einen Koalitionspartner angewiesen, der die Musik nicht als überflüssig begreift, doch trotzdem lässt er es sich als vom Volk gewählter Herrscher Bayerns nicht nehmen, alljährlich auf dem Grünen Hügel zu erscheinen, wie noch alle Ministerpräsidenten der CSU, um sich von der Musik Richard Wagners verzaubern zu lassen, denn die Musik Wagners ist es, die die Menschen seit jeher fasziniert, und man bedauert, wenn man den ‚Ring ohne Worte‘ von Lorin Maazel erlebte, diese wunderbare ‚Symphonische Dichtung‘, in der jede Note von Richard Wagner ist, dass uns der Sachse aus Leipzig, außer dem Siegfried-Idyll, keine Symphonischen Dichtungen, wie sein Freund und Schwiegervater, Franz Liszt, hinterließ.

Auf den Regisseur und Leiter der Festspiele Richard Wagner folgte seine Frau Cosima Wagner, die Hüterin des heiligen Grals, die mit fanatischer Hingabe um das Erbe ihres Mannes kämpfte, die ab 1886 auch selbst die Werke inszenierte, und als Cosima Francesca Gaetana am 24. Dezember 1837 in Bellagio am Comer See als Tochter der Schriftstellerin, Comtesse Marie d’Agoult geboren, ihre Zeugung Franz Liszt, dem Liebling der Frauen, verdankte, und bis 1908 die Festspiele leitete und am 1. April 1930 in Bayreuth im 93. Jahr ihres aufregenden Lebens starb, und mit denkbar größter Wahrscheinlichkeit dem Freund ihres Sohnes Siegfried, Adolf Hitler, die Hand überließ und ihn im Hause Wahnfried, wo Wagner von seinem Wähnen Frieden fand, willkommen hieß.

Adolf Hitler, der mit Gesinnungsfreunden am 20. Februar 1920 im Münchner Hofbräuhaus die NSDAP gründete, und ab 1933 bis zu seinem und dem Untergang seines Reiches Führer und Reichskanzler war, der während seiner Wiener Zeit von 1907 bis 1913 jede Wagner Oper in der kaiserlich-königlichen Hofoper hörte, und vierzigmal Tristan und Isolde erlebte, wie er die Welt in seinem Buch Mein Kampf wissen ließ, der im Alter von zwölf Jahren Lohengrin erlebte und grenzenlos begeistert war, und im Jahre 1907 in Linz die Oper Rienzi von Richard Wagner als Schlüsselerlebnis seines Strebens nach Macht und Größe bezeichnete, lobte seine alljährlichen Tage auf dem Grünen Hügel von Bayreuth als die schönsten seines Lebens.

Adolf Hitler war Duz-Freund Siegfried Wagners, dem Nachfolger seiner Mutter Cosima als Leiter der Festspiele, der siebzehn Opern der Nachwelt hinterließ, von welcher die Nachwelt keine Notiz mehr nimmt.

Selbst Christian Thielemann hat sich bisher nicht erkühnt, weder die Opern Der Heidenkönig, Sonnenflammen, Der Friedensengel, noch Der Schmied von Marienburg, oder Die heilige Linde aufzuführen, und auch die Symphonischen Dichtungen Sehnsucht, nach Friedrich von Schiller, und das Opus Glück und das Scherzo Und wenn die Welt voll Teufel wäre, hat Christian Thielemann weder mit den Berliner – , Münchner – und Wienerphilharmoniker, noch mit der Staatskapelle Dresden aufgeführt.

Und es war Winifred Wagner, die Frau Siegfried Wagners, die nach dem misslungenen Putsch vom 8. und 9. November 1923, der als Hitlerputsch, Hitler-Ludendorff-Putsch, Bürgerbräu-Putsch und Marsch auf die Feldherrnhalle – und Bierkeller-Putsch in die Geschichte einging, dem Freund von Bayreuth, das Papier nach Landsberg am Lech in seine Festungszelle brachte, auf welches er seine Gedanken über die Zukunft Deutschlands zu Papier brachte, bekannt unter dem Titel Mein Kampf. Das Ziel des Umsturzes war die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie, wie sie Mussolini mit seinem Marsch auf Rom gelang, und die Errichtung der Diktatur. Und Hitler wollte mit seinen Genossen nach Berlin marschieren, und wäre der Putsch gelungen, wollte Siegfried Wagner eine Sieges-Symphonie komponieren, und sie in München Odeons-Saal aufführen.

Stellen wir uns vor, bereits 1923 und nicht erst 1933 wäre Adolf Hitler an die Macht gekommen, denn der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, hätte dann Siegfried Wagner jedes Jahr bis zu seinem Tode im Jahre 1930 eine Siegessymphonie mit Triumphmarsch der Nachwelt hinterlassen, die auch im Jahre 2022 zum eisernen und ewigen Repertoire des Dritten Reiches gehören würden, und wer, von den heutigen politischen Größen, hätte als der soundsovielte Nachfolger Adolf Hitlers das Spalier der SS auf dem Roten Teppich der Bayreuther Festspiele 2022 durchschritten, begrüßt von Katharina Wagner, der Hüterin der deutschen Gralsburg der Kunst‘?

Und stellen wir uns eine Szene im Jahre 1939 vor. Nach der Götterdämmerung findet ein Gala-Diner im Haus Wahnfried statt. Und Adolf Hitler sagt zu Wilhelm Furtwängler. Die göttliche Vorsehung hat mich ermächtig die Völker Europas in das Großdeutsche Reich zu integrieren, und darum müssen Sie, mein lieber Furtwängler, nach jeder Eroberung eine Siegessymphonie komponieren.“

„Mit oder ohne Trauermarsch mein Führer, denn ich fürchte, es werden auch deutsche Männer den Heldentod sterben müssen, und der Trauermarsch Beethovens in seiner Eroica ist ein Marsch, der jeden Komponisten inspiriert.“

„Ich erwarte Symphonien, die mit einem Triumphmarsch enden, mit Siegesfanfaren, wie dem Triumphmarsch aus Aida, Furtwängler.“

„Jawohl mein Führer.“

Adolf Hitler, der Wagnerinaner, hatte die Söhne seines Freundes Siegfried in besonderen Rollen seines Reiches nach dem Endsieg über die Völker Europas gesehen, wie kolportiert wurde. Angeblich sollte Wieland Wagner nach dem Endsieg die Theater der östlichen Reichsländer übertragen werden, also neben Bayreuth die Opernhäuser von Moskau und Sankt Petersburg, Kiew, Warschau, Odessa, Konstantinopel, Budapest, Bukarest, Wien und Salzburg, und Wolfgang die Opernhäuser von Berlin, Hamburg, Mailand, Paris, London, Madrid oder umgekehrt und das hätte für das Jahr 2022 bedeuten können, dass Katharina Wagner auch für den Spielplan der Opern von Moskau, Kiew, und Konstantinopel, unter dem 5. oder 7. Nachfolger Adolf Hitlers – zuständig gewesen wäre, und wer – Freunde von Bayreuth ! –, hätte es da noch zu wagen gewagt Valentin Schwarz für seine Regie im Ring des Nibelungen mit einem Buuuuuuh zu bedenken?

Aber es kam bekanntlich alles anders, und nicht Markus Söder als siebter Reichskanzler und Nachfolger Adolf Hitlers kam auch 2022 wieder nach Bayreuth, sondern Markus Söder kam als Ministerpräsident Bayerns und das ist beruhigend für jeden Demokraten, und erfreulich war auch, dass man wieder einmal Frau Dr. Merkel sah, und es ist zu hoffen, dass sie auch in den kommenden Jahre immer wieder sich in Bayreuth dem Volke zeigt, nicht zuletzt als Beweis, dass die Nacht über Bayreuth nicht wieder angebrochen ist.



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