Kulturmanager, Literat & Satiriker


12. August 2021

Ein Dirigent ist ein Despot,

der sich glücklicherweise mit der Musik begnügt.

Dieses Zitat stammt von einem der berühmtesten Meister der dirigierenden Zunft – Sergiu Celibidache, dessen Leben am 14. August 1996 in La Neuville-sur-Essone im Val de Loire endete, einer Gemeinde, die im Jahre 1996 zwischen 248 und 280 Einwohner hatte, und einer von Ihnen war Sergiu Celibidache, der dort eine Mühle mit Garten, wie im 16. Arondissement von Paris, in der Rue de Boissiere eine hochherrschaftliche Wohnung in einem der Wohnpaläste besaß, gebaut in der Ära Napoleons III., der als demokratisch gewählter Präsident der II. Republik seine Karriere als Staatsmann begann, und als Despot, als Kaiser der Franzosen endete, den Krieg gegen das Königreich Preußen bei Sedan verlor, und Otto von Bismarck erklärte den König von Preußen, Wilhelm I., im Schloss von Versailles, erbaut durch den Sonnenkönig, den Roi Soleil, unter dem Beifall der deutschen Fürsten zum Kaiser der Deutschen.

Die Wohnung Sergiu Celibidaches habe ich mehrfach in meinem Leben als Manager der Münchner Philharmoniker in den Jahren von 1981 bis 1986 betreten, von dem auch das Zitat stammt: Paris ist der einzige Ort, an dem der Mensch wirklich so leben darf wie er will. – denn ich verdankte Sergiu Celibidache, dass ich, der Kulturamtsleiter der Stadt Hilden, und Leiter der Volkshochschule Hilden/Haan Orchesterdirektor (Intendant) und in Personalunion Verwaltungsdirektor der Münchner Philharmoniker wurde, dem Orchester, welches von Adolf Hitler als „Orchester der Hauptstadt der Bewegung“ ausgezeichnet wurde, doch erst durch Sergiu Celibidache zum Range der Berliner - und Wiener Philharmoniker aufstieg, und mich mein weiterer Weg von München in die schöne Stadt Hamburg führte, als Manager des NDR-Sinfonieorchesters, das heutige NDR-Elbphilharmonie-Orchester, und von dort, nach der Wiedervereinigung Deutschlands in „Frieden und Freiheit“, zum Leiter der Hauptabteilung Klangkörper des MDR in die Bach-Stadt Leipzig wurde, und das MDR-Musikfestival Drei Länder – ein Klang gründete und leitete.

Meine Nachfolgerin in Hilden als Leiterin des Kulturamtes und der Volkshochschule Hilden/Haan wurde übrigens Barbara Kisseler, die am 7. Oktober 2016 als Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg starb, und, wie man in den Nachrufen lesen konnte, maßgeblich dazu beitrug, dass der Bau der Elbphilharmonie vollendet wurde, doch die Einweihung nicht mehr erlebte.

Bei Wikipedia sucht man die Intendanten der Berliner Philharmoniker, wie der Münchner Philharmoniker vergeblich, und auch bei vielen anderen Orchestern, wie dem Leipziger Gewandhausorchesters, und welches Orchester auch immer, wie der ARD-Sinfonieorchester, unterzieht man sich nicht bei Wikipedia der Mühe, auch nur einen einzigen Namen der Frauen und Männer, ja auch der Frauen, zu nennen, die oder der verantwortlich dafür zeichnet, dass überhaupt ein einziges Konzert stattfindet, während man immerhin bei Wikipedia erfährt, wer Intendant der Staatsoper von München gewesen – und ist.

Der erste Intendant war, von 1824 bis 1848, unter den Königen Maximilian I. Joseph und Ludwig I., Johann Nepomuk von Poißl, und der Nachfolger von Klaus Bachler, der zwölf Jahre die Staatsoper unter Seehofer und Söder leitete, ist Serge Dorny, ein Flame aus Wevelgern in Westflandern. Die Stadt ist nicht allein durch Serge Dorny bekannt, sondern auch durch einen Soldatenfriedhof, auf welchem 47.864 deutsche Soldaten liegen, nicht mehr und nicht weniger, die einen sinnlosen Tod für Kaiser Wilhelm II. starben, der so geistig beschränkt war, dass er nach seinem Ende als Kaiser nur noch Baumstämme zersägen konnte, denn die Bild-Zeitung gab´s noch nicht, und das bis zu seinem Tode – am 4. Juni 1941, und der gehofft, Adolf Hitler, würde ihn, nach der Republik von Weimar, wieder in sein Schloss im Herzen Berlins einziehen lassen, sodass er, als Kaiser von Groß-Deutschland, wenn er ein Bad nehmen wollte ins Adlon reiten oder bei Regen die Kutsche nehmen musste.

Wie gesagt und geschrieben, bei Wikipedia sucht man meinesgleichen, wenn man die Orchester aufruft, vergeblich, und darum bin ich, Hubertus Franzen, so unbescheiden, und teile der Kulturwelt, aus Anlass des 25. Todestages Sergiu Celibidache, mit, dass es ohne mich eine Ära Celibidache, die bis zu seinem Tode, dem 14. August 1996 dauerte, in München, nie gegeben hätte, denn als ich im Juni 1981 nach Stuttgart fuhr, ich hatte am 1.Mai, dem Tag der Arbeit, meine zwei Jobs angetreten, nämlich die des Orchester-Intendanten und Verwaltungsdirektors, teilte mir Sergiu Celibidache mit, er hatte das Südfunk-Symphonieorchester dirigiert, wir fuhren bei Echterdingen auf die Autobahn, und sahen vor uns die Schwäbische Alb, dass er München verlasse und sein Amt nicht fortführen werde, eine Aus – und Ansage, die mich verblüffte, doch nicht in eine Schockstarre, oder wie es in Englisch heißt – put into shock versetzte, denn wie sagt der Rheinländer – et is noch immer jot jejange, und ich bin Rheinländer, auch gehört zum Rheinländer, in Sonderheit dem Kölner, das Lied: Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, doch keiner weiß, ich welchem Jahr, und das ist wunderbar.

Und da Maestro Celibidache es ablehnte, die angesetzte Probe am Abend zu leiten, und er darauf bestand nach Paris zu fliegen, fuhr ihn unser gemeinsamer Chauffeur, Herr Kleinheisterkamp, sein Vorname war Eckart, der allzeit getreue, zum Airport München und ich ging ins Rathaus, nicht ins Neue am Marienplatz, nein ins Alte, gleich daneben, wo Oberbürgermeister Erich Kiesl einen Stadtempfang aus Anlass des Stadtgründungstages gab. Ich schilderte ihm die Situation, zeigte ihm ein Telegramm, welches ich aufgesetzt, denn es gab noch keine Mails noch WhatsApps, und er sagte zu mir, Ratsherren mit großen Bierkrügen umstanden ihn: Jo mei, schicken´s des ab, und wenn er ned zuruckkimmt, unser Celi, dann suchen S´a neuen, für unsere städtischen Fiedler un Bläser, Franzen, wo is des Problem, bittscheen?

Ich schickte das Telegramm ab, hielt am Abend vor dem Orchester eine Ansprache im Probesaal des Orchesters in Giesing, denn die Philharmonie am Gasteig gab´s noch nicht, und zitierte Martin Luther, der gesagt oder gesagt haben soll: Und wenn morgen die Welt untergeht, werde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.

Und das Wunder geschah, Celibidache kam zurück und warum hatte er sein Amt niederlegen wollen, dass ihn 1979 nach München geführt?

Erich Kiesl, verheiratet mit Edigna Hilpoltsteiner, der bisher einzige Oberbürgermeister Münchens, der ein Parteibuch der CSU in der Jackentasche trug, hatte Celibidache 1979 zum Generalmusikdirektor der Stadt des Oktoberfests und des FC Bayern ernannt, ohne einen schriftliche Vertrag, wie ich zu meiner Verblüffung feststellte. Nur durch einen Handschlag unter Männern, wie auf einem Viehmarkt in Niederbayern, zum Beispiel in Pfarrkirchen, dem Geburtsort Erich Kiesl´s, wurde der Handel besiegelt, der einen wissen ließ: I mag d´ Leit und die Leit mögen mi, oder auf Preußisch, beziehungsweise Saupreußisch: Die Leute lieben mich und ich liebe die Leute. Und Kiesl hatte Celibidache auch und nicht zuletzt in die Hand versprochen, den Philharmonikern die gleichen Gehälter zu zahlen, wie den Mitgliedern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, eine Zusage, an die sich auch der Kulturreferent der Stadt München, sein Name war Kolbe, und hatte im Hanser-Verlag als Lektor sein Brot verdient, nicht erinnern konnte. Er war nicht der einzige in der Stadtverwaltung München mit mir nicht nachvollziehbaren Erinnerungslücken, dabei hatte der Stadtrat den Handel besiegelt und auch die Zusage der Gehaltsangleichung Kiesl´s, mir wurde darüber ein Protokoll auf dunklen Kanälen zugespielt, und Celibidache fühlte sich seinen Musikerinnen und Musikern im Wort und fürchtete um seine Reputation, was jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch nachvollziehen kann.

Doch da ich in Hilden an der Itter gelernt mit Politikern zu dealen, es führte zum Bau einer Konzert - und Theaterhalle, denn ich hinterließ in Hilden mehr als 4.000 Konzert – und Theaterabonnenten – die Stadt hatte am 31. Dezember 2020, dem Jahre 2773 ab urbe condita, seit der Gründung Roms, 55.274 Einwohner – ging ich mit Celibidache zu den Roten, Grünen, Gelben und Schwarzen, doch zuerst zu den Schwarzen des Stadtrates von München, und es war in München an der Isar nicht anders als in Hilden an der Itter, denn die wenigsten der Volksvertreter hatten jemals ein Konzert der Philharmoniker gehört, deren Haushalt sie im Haupt- und Finanz-Ausschusses absegneten, wie die Etats für die Müllabfuhr, die Städtischen Friedhöfe und das Oktoberfest. Übrigens, mein Vorgänger als Verwaltungsdirektor übernahm die Direktion der städtischen Friedhöfe, denn mit Toten hat´s man leichter als mit Dirigenten.

Das Frage und Antwortspiel vor den Granden der CSU, ein Bild des Übervaters Franz Josef Strauß zierte die Stirnwand, wie auch das Kreuz, an welchem der Körper des Sohnes Gottes hing, der für die Sünden der Welt sein Leben hingab, welcher Glaube ist noch absurder? – wurde hauptsächlich von mir bestritten, wie mit Celibidache abgesprochen, und als der Abend sich der Geisterstunde im Fraktionszimmer der CSU näherte, stellte Sergiu Celibidache, der von 1945 bis 1952 Chefdirigent ad interim der Berliner Philharmoniker war, Wilhelm Furtwängler, der Lieblingsdirigent Adolf Hitlers, hatte Berufsverbot, wie Herbert von Karajan, der Lieblingsdirigent Hermann Görings, der in Rosenheim geboren wurde, also nicht allzu weit entfernt von Braunau am Inn, die Frage: Kennen Sie, Herr Oberbürgermeister Sathya Sai Baba?

Kiesl blickte auf mich, auf die Spitzen der CSU im Stadtrat, darunter Notar Walter Zöller, der in München beglaubigte, was nach dem Gesetz beglaubigt werden musste, doch auf keine einzige Stadträtin, und sagte, er habe noch nie von dem Sai Baba gehört und wer der wäre, bittschön.

Sathya Sai Baba ist ein Gott, Herr Oberbürgermeister.

Ich weiß nicht, ob Erich Kiesl, geboren am 26. Februar 1930 in Pfarrkirchen, der zuerst an der Hochschule der Jesuiten studierte, jemals die Absicht hatte der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, wie der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria von Altötting als Pfarrer in Tuntenhausen im Landkreis Rosenheim, oder als Kardinalerzbischof von München und Freising zu dienen, doch als er das Wort Gott ohne Bezug auf Jesus von Nazareth vernehmen musste wurde sein Gesicht von denkbar tiefster Ungläubigkeit überschattet, und fragte zur Sicherheit, ob es möglich sein könne, dass er sich verhört habe.

Aber Sergiu Celibidache erklärte, dass er ein Anhänger des Gottes Sathya Sai Babas wäre, und er dabei gewesen, als Sathya Sai Baba, der sich als Gott auch in eine Frau habe verwandeln können, nichts wäre für ihn leichter gewesen – bitte, dem Glauben sind keine Grenzen gesetzt, auch nicht in Bayern, besonders nicht in Bayern, denn wer glaubt wird selig und wer nicht glaubt, wird verdammt – im Stadion von Bombay, dem heutigen Mumbai, denen, die an ihn glaubten erschienen wäre. „Aber das war nicht das Wunder Herr Oberbürgermeister Kiesl.“

„Des wors ned, Maestro?“ Erich Kiesl war sichtlich beeindruckt, denn er musste an die Wunder denken, die Jesus von Nazareth angeblich gewirkt, zum Beispiel Wasser in Wein zu verwandeln, wie auf der Hochzeit zu Kanaa in Galiläa.

„Das Wunder war, dass Sathya Sai Baba zur gleichen Zeit auch seinen Gläubigen, in den Stadien von Neu-Dehli, Kalkutta, Bangalore, Ahmedbad, Jaipur, Mapur, Partna, Varanasi und Kochi, sowie weiteren Städten, die dort zu tausenden und abertausenden versammelt waren, erschienen ist.“

„Ah in Kochi, Maestro? I glaubs ned.“

Sathya Sai Baba, von dem die Worte stammen: Wo immer du gehst, ich bin dort. Mit wem auch immer du verkehrst, ich bin in dieser Person. Ich bin in jedem und durch jeden werde ich antworten. – wurde von Pater Gabriele Amorth, dem Chefexorzisten der Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI., gelobet sei sein Name, und Bruder Franziskus, dem Pontifex aus der Stadt der gute Winde, Buenos Aires, als der eingeborene Sohn Satans bezeichnet, dem Paulaner-Pater, gut, besser Paulaner, der nach eigenen Angaben aus mehr als 80.000 Frauen, Jungfrauen, und möglicherweise auch Nonnen, Teufel und Dämonen austrieb, bis er am 16. September des Jahres 2016, dem Jahre 2769 ab urbe condita, in die Herrlichkeit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes abberufen wurde.

Und als wir nach Mitternacht durch den Hinterausgang das Rathaus verließen, sagte Erich Kiesl zu mir: „Franzen, Ihren Job möcht i aber ned haben, aber wirkli ned.“ Und ich bedankte mich für seine Anteilnahme.

Doch die Münchner Philharmoniker bekamen ihren Tarifvertrag, der sie den bayerischen Rundfunksymphonikern gleichstellte, und wurden das weltberühmte Orchester, das mit dem Namen Sergiu Celibidaches untrennbar verbunden ist, wie die Berliner Philharmoniker mit Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan. Übrigens Sergiu Celibidache, der Anne Sophie Mutter als „geigendes Huhn“ bezeichnet, und Gustav Mahler als eine der „peinlichsten Erscheinungen der Musikgeschichte“, wurde nach dem Tode Furtwänglers nicht ein zweites Mal Chefdirigent der Berliner Philharmoniker weil er, im Falle seiner Berufung, die Hälfte des Orchesters wegen Unfähigkeit entlassen wollte, und man wählte Herbert von Karajan, doch Sergiu Celibidache wurde in München zum Idol und zum Mythos.



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