Kulturmanager, Literat & Satiriker


03. Februar 2023

Markus Söder oder spes decedit ultimo

Hamburg hat die Elb- und München die Isar-Philharmonie, die aber nicht für die Ewigkeit gebaut werden sollte, sondern als Ausweich-Quartier für die Philharmonie am Gasteig, und in der die Münchner Philharmoniker, das Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks und Privatveranstalter ihre Konzerte durchführen, wie MünchenMusik, das Unternehmen von Dea von Zychlinski-Schessel, Andreas Schessl, und den Bürohunden Anton und Lotte Schessl, mit mehr als 300 Konzerten pro Saison, zu der auch die Konzertdirektion Hörtnagel gehört, die, von Elisabeth und Georg Hörtnagel gegründet, seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts das Musikleben Münchens entscheidend mitbestimmt.

Und neben der Philharmonie im Celibidache-Forum – dort, wo einmal der Bürgerbräukeller stand, dem Ort, der in der Geschichte des 20. Jahrhunderts mit der Bewegung Adolf Hitlers untrennbar verbunden ist, am 9. November 1923 starteten vom Bürgerbräukeller Adolf Hitler, Hermann Göring und der Feldmarschall des Ersten Weltkrieges Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff, der Stellvertreter Paul von Hindenburgs, und einer der Väter der Dolchstoßlegende, mit ihren Genossen zur Feldherrnhalle, und am 27. Februar 1925 erfolgte dort die Neugründung der NSDAP, soll die „Kunst – und Musikstadt“ München noch eine zweite Philharmonie erhalten, die Philharmonie des Bayerischen Rundfunks, Konzerthaus München genannt.

Der Freistaat Bayern plant mit dem Konzerthaus München einen herausragenden Kulturbau. Als offenes, lebendiges und überraschendes Haus soll es mit Musik von Klassik bis Jazz, von Weltmusik bis zu völlig neuen experimentellen Formen begeistern und berühren.

Die Worte lasen und vernahmen bei der Ankündigung des Vorhabens vor allem Frauen und Männer mit Begeisterung und freudiger Zustimmung, für welche die Musik einen hohen Mehr – und Stellenwert im Leben hat, und die auch über die Heilkraft der Musik vermutlich mehr wissen – die heilende Kraft der Musik ist seit der Vorantike bekannt, und auch die Kirche setzte die Macht der Musik für ihre Ziele ein, als sich dies Politiker aller Farben und Schattierungen, zum Beispiel der Farbe Schwarz für die CSU, die Symbolfarbe für Eleganz, Seriosität, Wahrheit und Glaubwürdigkeit auch nur vorstellen können, oder vermutlich wollen, zum Beispiel Markus Söder, wie auch Markus Blume, der als Minister für Kunst und Wissenschaft im Freistaat verantwortlich ist, und in Sachen Konzerthaus, as his master’s voice, durch die Blume spricht, denn der amtierende Ministerpräsident hat sich und seinen Parteifreundinnen und Freunden eine Denkpause zu dem Thema Konzerthaus München verordnet. Und wenn Politiker sich eine Denkpause verordnen, bedeutet das oft nichts Gutes, auch ist Schwarz die Symbolfarbe der Verführung, und sie steht für Trauer und Tod.

Wird der Konzerthaus München also jemals realisiert, solange der Herrscher über Bayerns Hain und Fluren Markus Söder heißt, dieser weitere Saal für Konzerte der Hochkultur, den einst Horst Seehofer Mariss Jansons versprach, und zum Neujahrskonzert des Jahres 2012 nach Wien aufbrach, um aller Welt, auch den Skeptikern in den eigenen Reihen zu signalisieren: ich stehe zu meinem Wort, oder wird die Idee noch vor dem ersten Spatenstich durch dessen Nachfolger, Markus Söder, begraben?

Mariss Jansons, der charismatische Dirigent, von 2003 bis 2019, bis zu seinem Tode Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, der im Jahre 2018 seinen Vertrag nochmals bis 2024 verlängerte, hat für diesen Konzertsaal mit vielen Freunden gekämpft, doch Markus Söder, der dreizehnte Herrscher über den Freistaat Bayern hat sich und seinem Minister für Kunst und Wissenschaft, Markus Blume, dem ehemaligen Eistänzer, eine Denkpause zum Thema „Konzerthaus München“ verordnet und nicht nur Bayern, auch Preußen, Westfalen, Rheinländer, Sachsen, Branden – und Hamburger, denken zwangsläufig an die Zeit, in der die Herrscher Bayerns noch eine Krone trugen, denn vom 1. Januar 1806 bis 7. November 1918 war Bayern ein Königreich, gegründet von Napoleon I., der bis Moskau ritt, um über Zar Alexander I. zu siegen, was ihm nicht gelang, um in der Völkerschlacht bei Leipzig, vom 16. bis 19. Oktober 1813, die Alliierten Frankreichs waren das Herzogtum Warschau, der Rheinbund, waren die Königreiche Sachsen, Bayern, Westphalen, Württemberg, Italien und Neapel, die Großherzogtümer Baden, Hessen und Berg, und die Gegner hießen Russland, Preußen, Österreich, Schweden, Mecklenburg-Schwerin und das Vereinigte Königreich, zu dem auch das Königreich Hannover unter King Georg III. gehörte, um danach bei Waterloo, einem Dorf in der Nähe Brüssels, endgültig seine Macht zu verspielen, und von der Bühne der Macht, der Eitelkeiten, der Idiotien und bodenlosen Gemeinheiten, man nennt die Abfolge dieses Gottes - und Menschenwahns Geschichte, abzutreten.

Markus Söder, der Mann, welcher der CSU bei der Wahl von 2018 ein „Albtraumergebnis“ von 37,2 Prozent bescherte, die AfD, die erstmals an einer Landtagswahl teilnahm, kam auf 10,2 Prozent und lag damit noch vor der SPD, die 9,7 Prozent erreichte, unter Horst Seehofer, im September 2013, hatte die CSU noch 47,7 Prozent erzielt, hat sich und seiner Partei zum Thema Konzerthaus München also eine „Denkpause“ verordnet, und man darf davon ausgehen, zumindest bis zur Wahl am 8. Oktober diesen Jahres, dass Söder und seine Vorstandskolleginnen und Kollegen, die Politik aus Verantwortung für „Gott, seine Schöpfung und den Menschen“ gestalten – was ist noch vollmundiger als ein Parteiprogramm? – bis dahin weitgehend über ihren Machterhalt nachdenken, denn in der Sonntagsfrage ist die Söder-Partei derzeit weit von einer absoluten Mehrheit entfernt, und das bedeutet, entweder mit Hubert Aiwanger, dem Führer der „Freien-Wähler“ in Bayern, oder mit Katharina Schulze, der Grün-Frau ins Koalitionsbett zu steigen, die für ein modernes, ökologisches, weltoffenes und gerechtes Bayern die Stimme erhebt – was war und ist Bayern denn bis jetzt? – und mit Ludwig Hartmann, Seit an Seit, für das politische Ende Söders kämpft, der bis 2028 die erste Geige spielen will, oder dafür sorgen wird, dass er weiter die erste Geige spielen kann oder darf, nämlich in einer eheähnlichen Zweckgemeinschaft, man nennt so etwas Koalitionsregierung, für Söder und nicht nur für ihn ein Albtraum, und auch darüber hinaus, zumindest bis 2033, denn wer will schon von der Macht und den Möglichkeiten lassen, die das hohe Amt des Ministerpräsidenten seinen Inhabern bietet?

Markus Söder, die sich als Lichtgestalt sieht, hat einen Auftrag, nämlich für eine gute Zukunft Bayerns und seine Menschen zu sorgen, Gott mit dir, du Land der Bayern, und ob dazu auch das Konzerthaus München gehört, wird sich irgendwann zeigen. Übrigens das Colosseum Roms, die größte Arena der Antike, wurde in den Jahren von 72 bis 80 nach Christus errichtet, die Baukunst der Römer lässt uns staunen, waren doch die Bauten der Römer wie für die Ewigkeit gebaut, während der Gasteig bereits nach weniger als vierzig Jahren saniert werden muss, und das Colosseum wäre kein Torso, wenn es nicht als Steinbruch von den Päpsten für den Bau von San Pietro hätte dienen müssen, wie auch die Kaiserpaläste auf dem Palatin, deren Marmorsäulen in den Kirchen Roms zu bewundern sind.

Doch von den Päpsten als Bauherrn und ihrem Vandalismus zurück zu den Meinungsführern der CSU. Im Jahre 2003, als Edmund Stoiber die CSU lenkte, und ein Wahlergebnis von 60,7 Prozent erzielte, konnte die CSU, die Bayern als ihren Erbhof usque ad diem iudicii, bis zum Tag des Jüngsten Gerichtes betrachtet, noch jubeln und auch Seehofer konnte ab 2013 ohne einen Koalitionspartner nach seinem Gusto regieren, bis er von seinem politischen Ziehsohn, Markus Söder, gestürzt wurde – auch du mein Freund Markus, soll Seehofer gesagt haben wie Julius Caesar an den Iden des März des Jahres 44 vor Christus gesagt: tu quoque Brutus (Marcus) amicus meus?

Die Könige Bayerns wurden nicht vom Volke gewählt, wie auch nicht die römischen Päpste vom Christenvolk gewählt werden, die als Despoten von 756 bis 1870 über Rom und den Stato Pontificio mit ihren Hirtenstäbe den Weg wiesen, – weide meine Schafe, weide meine Lämmer, pasce oves meas, pasce agnos meos –, der selten ein guter Weg war, und die heute noch über den status dei auf dem Boden Italiens als durch die Kardinäle gewählte Despoten, sprich Alleinherrscher, die absolute legislative, judikative und exekutive Macht, potestas, ausüben, aber die Könige Bayerns machten aus München die Stadt der Kunst und Musik, wie die römischen Päpste, die zwar das Rom der Antike als Steinbruch betrachteten, sie ließen keinen Stein auf dem anderen, nur das Pantheon überlebte ihren Vandalismus, weil es früh in eine Kirche transformiert wurde, doch sie schufen das Rom der Renaissance und des Barock – immerhin. Man denke nur an Papst Sixtus V., herrschend wie die Ayatollahs im Iran, der ganze Viertel des Centro Storico niederreißen, um neue Straßen und Sichtachsen zu bauen, eine Wasserleitung aus der Antike restaurieren ließ, die Rom mit frischem und sauberem Wasser aus den Abruzzen versorgte, denn seit dem Untergang Roms gab es in dieser Stadt keine intakte Wasserleitung mehr, und er ließ an den Endpunkten seiner Straßen Obelisken aus Ägypten aufstellen, damit seine Nachfolger seine städtebaulichen Planungen weiterbauen mussten, darunter auch den Obelisken auf der heutigen Piazza San Pietro.

Und König Maximilian I. schuf mit seinem Minister Maximilian von Montgelas den modernen bayerischen Staat und übertrug die Neugestaltung Münchens dem Baumeister Karl von Fischer. Unter dem ersten König von Bayern entstand als erste der heutigen Prachtstraßen Münchens die Brienner Straße und er war der Erbauer der Oper.

Ludwig I., sein Sohn, den die Tänzerin Lola Montez zu Fall brachte, regierte von 1825 bis zum Revolutionsjahr 1848, also länger als jeder Ministerpräsident von Bayern bisher die Richtlinien der Politik bestimmte, oder es zumindest versuchte – Alfons Goppel regierte 16, Edmund Stoiber 14, und Franz Josef Strauß 10 Jahre, wie Horst Seehofer, und auf dessen Hochzeit im Jahre 1810 mit Therese von Sachsen-Hildburghausen, sie war eine Protestantin, das Oktoberfest zurückgeht. Und Ludwig I. verdankt München seine Ludwigstraße, die Palaststraße im Stile der italienischen Renaissance, zu dessen wichtigsten Architekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner aufstiegen.

Ludwig I. war der Bauherr der Feldherrnhalle, im Stil der Loggia dei Lanzi von Florenz, des Siegestores am Ende seiner Königsstraße, der Staatsbibliothek, des Königsplatzes mit der Glyptothek, den Propyläen und der Antikensammlung, er ließ die Alte Pinakothek, die Ruhmeshalle und die Bavaria errichten, wie den Königsbau der Residenz, eine Kopie des Palazzo Pitti von Florenz, nicht zuletzt gegen den Rat der Stadt und die Bürgermeister, die während seiner Regierungszeit amtierten: Franz Paul von Mittermayr, Josef von Teng und Jakob Bauer, und die unter anderem gegen den Bau der Ludwigstraße in ihrer Länge von 1000 Metern agierten, denn sie argumentierten, dass auch in 100 Jahren München nicht über die Grenzen der Ludwigstraße hinauswachsen werde, ein Irrtum.

Und was wäre München ohne seine Maximilianstraße, die ab dem Jahre 1854 von König Maximilian II. im neugotischen Stile, dem Sohne Ludwig I. erbaut wurde?

Man darf gespannt sein, was auf die „Denkpause“ des Markus Söder folgen wird, der Politik aus Verantwortung für Gottes Schöpfung gestaltet, wie nicht nur die Volksstämme Bayerns immer wieder vernehmen Und wer argumentiert, dass München keine zwei und mehr Konzertsäle benötige, dem sei gesagt: München hat 277 Kirchen und Kapellen, davon sind 211 katholische Gotteshäuser, und die Zahl der Katholiken geht auch in Bayern dramatisch zurück. Die Kirche der Päpste schmilzt dahin wie die Alpengletscher, denn nichts ist ewig und von Dauer, auch wenn die Priester dieser Kirche behaupten, dass ihr Gott am Ende der Zeiten wiederkommen werde, um zu richten die Lebenden und Toten. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, denn Gläubige waren selten Denker, und Denker noch seltener gläubig.

Und vor Hitler, der in München zu grauenhafter Größe emporstieg – Adolf mir graust‘s vor dir! – der diese Stadt zur „Hauptstadt seiner Bewegung“ machte, gab es in Deutschland mehr als 2800 Synagogen. Heute gibt es in München die Synagoge Ohel Jakob am Jakobsplatz, und für Synagogen gelten die höchsten Sicherheitsstufen, ob in München oder Berlin.

Wie kann es sein, dass 78 Jahre nach dem Selbstmord Hitlers – er hatte keine anderen Optionen mehr, als sich selbst zu richten, auf das er nicht gerichtet werde, wollte er nicht in einem Käfig auf dem Roten Platz in Moskau, dem Krasnaya ploshchad‘ von seinem Gesinnungsgenossen, Jozef Stalin, mit dem er sich Polen teilte, wie eine Jahrmarktfigur, ausgestellt und als Verlierer, kak neudachnik, verhöhnt werden – in diesem Land Synagogen rund um die Uhr bewacht werden müssen? Welch ein Offenbarungseid für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts in Deutschland.

Die Könige von Bayern waren Autokraten, die aus ihrer Hauptstadt eine Stadt der Kunst und Musik machten, und es gibt Autokraten, die sich als Demokraten bezeichnen, und denen man wünschte, dass sie auch ein wenig von der Kultur besäßen, die den Königen Bayerns in die Wiege gelegt wurde, nicht zuletzt dem Märchenkönig Ludwig II., dem Enkel König Ludwig I., der seinem Freund, Richard Wagner, das Festspielhaus von Bayreuth finanzierte, welches eigentlich von Gottfried Semper auf der Isar-Höhe entstehen sollte, ein gigantischer Musiktempel am Ende einer fünften königlichen Prachtstraße Münchens, der Königstraße Ludwig II., ein Traum, der auch nicht realisiert wurde, doch das geistige und kulturelle München hofft, dass das Konzerthaus München nach der „Denkpause“ des Markus Söder gebaut wird, denn spes decedit ultimo hätte Franz Josef Strauß gesagt, denn die Hoffnung stirbt zuletzt.



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