Kulturmanager, Literat & Satiriker


05. Oktober 2021

Die Pokerspieler
1. Kapitel des Romans

Angela Merkel, die nur noch geschäftsführende Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, sechszehn Jahr hatte sie die Richtlinien der Politik bestimmt, und war x-Mal infolge durch das Forbes-Magazin to the most powerful women in the world, erhoben worden, schaute auf die Kuppel des Reichstages. Das Kalenderblatt zeigte den 27. September und sie dachte an den gewesenen Hoffnungsträger der CDU, den Mann auch der Stadt Karls des Großen, der immer wieder in den Tagen des Wahlkampfes gesagt, dass er mit Entschlossenheit dem Wohl des deutschen Volkes dienen wolle, der im Konrad Adenauer-Haus, wie sie vermutete, an seine Zukunft und an seine Parteifreunde, die ihm noch verblieben, dachte, und die 775.950 Zweitstimmen, und ein paar mehr, welcher der Partei, die aus christlicher Verantwortung Politik gestaltete, zum Siege verholfen hätten, und jetzt bestimmten Frau Baerbock, verheiratet mit Daniel Holefleisch, einem Lobbyisten, und die Herren Habeck und Lindner, die gemeinsam 12.164.913 Zweitstimmen eingefahren, wer Bundeskanzler, wer ihr Nachfolger werde. Armin Laschet oder Olaf Scholz. Laschet, dem Lacher von Erftstadt, war das Lachen vergangen, auch als Karnevalist konnte man an der falschen Stelle lachen, und so sollte der Hoffnungsträger des CDU-Bundesvorstandes bis zur Prognose am gestrigen Tag, die einzige Tat vollbringen, die ihm jetzt noch zu tun übrigblieb, um das Gesicht zu wahren, nämlich von allen Ämtern zurücktreten, because nothing worked anymore. Doch Laschet hoffte noch auf eine Jamaika-Koalition, wie ein Ertrinkender auf den Rettungsring. Aber er hoffte vergeblich, dazu musste man nicht Hellseher sein. Das politische Geschäft war grausam, war es immer gewesen, seit dem Tag, an welchem der Mensch auf zwei Beinen stand und sich die Erde Untertan machte, wie in der Genesis nachzulesen. Sie kannte die 5 Bücher Moses, denn sie war die Tochter eines Pastors, der von Hamburg in das Dorf Quitzow in der Uckermark zog, um dort das Wort seines Gottes, an den er glaubte, zu predigen, während hundertausende das Land des realexistierenden Sozialismus verließen, um nicht weiter indoktriniert zu werden.

Und wie lange würde sie, Angela Merkel noch hinter diesem Schreibtisch sitzen? Einen Monat, zwei oder drei? Würde sie als die geschäftsführende Bundeskanzlerin auch noch ihre 17. Neujahrsansprache halten, halten müssen, oder bliebe ihr das erspart? Deutschland brauchte schnell eine handlungsfähige Regierung, und alle taten so, als müsse die Bundesrepublik neu erfunden, von Grund auf erneuert werden, auch die eigenen Freunde, nahmen das ominöse Wort in den Mund, wann und wo immer eine Print-Journalistin oder ein Mann des öffentlich rechtlichen Rundfunks und Fernsehens auftauchten, zum Beispiel der steht perfekt gekleidete Theo Koll, der Träger des Hildegard von Bingen-Preises für Publizistik, und die Frage stellten, glauben auch Sie was die Vertreterinnen und Vertreter der SPD, FDP, AfD, die Linken und die Grünen sagen, dass Deutschland durch die Bundeskanzlerin ruiniert wurde.

Sie war in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die erste Frau, die das höchste Regierungsamt innegehabt, so solange wie Helmut Kohl, und sie hatte entschieden, ein fünftes Mal nicht mehr anzutreten. Und es war gut so, aber war die Zeit der christlichen Parteien abgelaufen? Immer mehr Menschen verließen die christlichen Mega-Kirchen. Nicht nur die christlichen Parteien Europas befanden sich in einer tiefen Krise, auch den Kirchen kamen die Mitglieder abhanden, hunderttausende verließen alljährlich die Kirchen, deren Mitglieder sie als Säuglinge durch die Taufe geworden Die Zahl der Atheisten oder Konfessionslosen stieg kontinuierlich. In Sachsen-Anhalt, dem Land der Frühaufsteher gehörten 82,3 Prozent keiner Religionsgemeinschaft mehr an, in Sachsen waren es 72,3 Prozent, und die Zahl der Konfessionslosten betrug im Jahre 2020 40,7 Prozent, die der Katholiken lag bei 26,7, der Evangelischen Kirche bei 24,3 Prozent, die gemeinsam noch 51,0 Prozent erreichten, der Rest waren Buddhisten, Juden, Muslime – der Islam gehörte zu Deutschland, diese fünf Worte hatte sie seit dem Jahre 2015 nicht widerholt, jedenfalls nicht öffentlich, aber nach Hochrechnungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge diesen Jahres, dem Jahr ihres Rücktritts, lebten bereits zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Muslime in Deutschland, und sie hatte die letzten vier Jahre ihrer Kanzlerschaft auf die Damen und Herren der AfD schauen müssen, die ihr unterstellten, dass sie, die Pastorentochter, das deutsche Vaterland den Brandbeschleunigern des Propheten ausliefere, die in tausenden Moscheen zum Hass auf ihre Gastgeber aufriefen.

Aber die Pokerspieler hatten bereits an den Spieltischen Platz genommen, wollten die Machtverhältnisse neu justieren. In der CDU Fraktion würde Friedrich Merz eine dominierende Rolle spielen, und wie lange sich Ralph Brinkhaus auf dem Schleudersitz des Fraktionsvorsitzenden noch halten konnte, auf diese Frage würde sie, Angela Merkel, keine Wette abschließen, sie, die eine Mehrheit der Deutschen nicht vermissen würde, wie eine Umfrage ergeben hatte. Bitte, so war das Leben. Sie würde noch einmal durch ihren Tod auf die Titelseiten zurückkehren. Sie, Angela Merkel war Geschichte, aber sie würde zur Geschichte gehören, wie die Frauen, die auch Geschichte geschrieben: Katharina II. von Russland, Maria Theresia von Habsburg, Golda Meir, die große Frau Israels und Indira Gandhi, die Ministerpräsidentin Indiens, und, nicht zuletzt the Queen of Great Britain, Elisabeth II..

In der Kuppel des Reichstages gingen die Menschen auf den gegenläufigen spiralförmigen Rampen bis zur Aussichtsplattform und wieder zurück. Welch eine Symbolik. Sie hatte noch nie über die Menschen, welche auf den Rampen innerhalb der Kuppel auf- und abgingen solange nachdenken müssen, wie heute, vielleicht weil am gestrigen Tage der bedeutendste Teil ihres Lebens zu Ende gegangen, was jetzt noch folgte, war Abwicklung, war keine Gestaltung mehr, ihre politische Führungskraft war erloschen, war Warten auf die Wahl des Nachfolgers, war ein letzter öffentlicher Auftritt als Bundeskanzlerin, um die Entlassungsurkunde des Bundespräsidenten entgegen zu nehmen. Ein letzter Auftritt für die Medien, die Nachrichten für ARD und ZDF, für die Printmedien und sie verschwand aus dem öffentlichen Leben, doch nicht aus dem Bewusstsein der Menschen, sie wurde ein Teil der Deutschen – und der Weltgeschichte. Sie, die Frau aus der DDR, die ihren Aufstieg zu Macht und Größe Michail Gorbatschow verdankte, der gehofft, dass Russland ein Teil der Europäischen Union werde.

Wie würden Historiker ihre Politik gegenüber Russland werten? Sie musste an die Rede Putins im Deutschen Bundestag am 25. September des Jahres 2001 denken. Zwanzig Jahre war es jetzt her, dass Wladimir Putin gesagt hatte: Ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen, sowie mit den Wirtschafts -, Kultur – und Verteidigungspotentialen Russlands vereinigen wird.

Es waren die Hoffnungen, die auch Michail Gorbatschow in die deutsche Politik gesetzt hatte, aber nicht Gerhard Schröder gewann die Wahlen im Jahre 2005, sondern sie, Angela Merkel mit der hauchdünnen Mehrheit von 35,2 zu 34,2 Prozent, und es kam zur zweiten Großen Koalition, unter ihrer Kanzlerschaft. Und ihr Blick war nach Westen, nicht nach Osten gerichtet. Wäre das Ergebnis im Jahre 2005 umgekehrt gewesen, hätte Schröder und nicht sie, die Regierung gebildet, doch wäre dann heute Russland ein Mitglied der Europäischen Union, und man könnte am Hauptbahnhof in den ICE nach Moskau und Sankt Petersburg steigen, und nach fünf Stunden in Moskau dem Zug entsteigen, der mit Tempo jenseits der vierhunderten Marke durch die Weiten Russlands gerast wäre?

Auf die Politik ihres Vizekanzlers, Olaf Scholz, war sie gespannt. Flog Scholz zuerst zu Joe Biden, der sie mit seiner Afghanistan-Politik tief enttäuscht hatte, oder bestieg Olaf Scholz die Kanzlermaschine nach Moskau und umarmte Wladimir Putin? Auf seine Regierungserklärung war sie gespannt und sie würde noch weitere fünf Jahre die Weihnachtsansprachen Frank-Walter Steinmeiers genießen. Hatte sie, Angela Merkel, genießen gedacht? Ein Genuss waren die Weihnachtssprachen Steinis eigentlich nie gewesen, beziehungsweise, die seiner Redenschreiber, aber Frank-Walter Steinmeier, der zweimal ihr Außenminister gewesen und dessen Reden pastoraler nicht sein konnten, hatte den Mann aus Aachen, Armin Laschet, lachen lassen, wie vermutet wurde, denn über wen oder was hätte der Ritter wider den tierischen Ernst des Aachener Karnevalvereins von 1859, von Tod und Zerstörung umgeben, lachen müssen?

Doch sie würde Altmaier vermissen, den Mann, der ihr immer treu gedient und sie mit seinen kulinarischen Leckerbissen verwöhnte. Altmaier war am Herd ein wahrer Meister, und sollte sie in die Stadt ihrer Geburt ziehen, eine Villa im feinen Stadtteil Hamburg-Blankenese war ihr angeboten worden, musste er mit ihr in die Elbphilharmonie gehen, und für sie kochen, ihr Peter, aus Ensdorf an der Saar, der gegen ihren Außenminister, Heiko Maas, das Direktmandat verlor, und an Heiko Maas twitterte: Lieber Heiko Maas, Glückwunsch zum Erreichen des Direktmandates. Wir werden beide weiter gemeinsam für die Interessen unserer Heimat arbeiten.

Das war schon lieb von ihrem Peter Altmaier, dem gutmütigen Saarländer, der auch als Erzbischof von Köln denkbar gewesen wäre, überhaupt als Priester. Altmaier wäre ein würdiger Mann der Kirche gewesen, auch Armin Laschet. Auch Laschet konnte sie sich als Erzbischof von Köln oder Bischof von Aachen vorstellen, der mehr und mehr zur tragischen Figur wurde, je länger er hoffte, doch noch durch die Hintertür Bundeskanzler zu werden. Der aber immer mehr zu einer Figur in der Latzhose mutierte, und greinte: Ich will aber Bundeskanzler werden. Er würde es nicht mehr werden – der Armin Laschet aus Aachen-Burtscheid. Armin Laschet hatte zu hoch gepokert, und er hatte kein Ass mehr im Ärmel, nicht ein einziges – rien ne va plus.



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