Kulturmanager, Literat & Satiriker


Gift war schon immer ein Mittel der Politik

23. August 2020

 

Es gibt eine Partei in Russland, die im Jahre 2012 als Volksallianz, 2014 als Fortschrittspartei und sich 2018 in Russland der Zukunft umbenannte, und ihr Vorsitzender ist Alexei Nawalny, dessen augenblicklicher Aufenthaltsort die Charité in Berlin ist, in der Experten um sein Leben ringen, welches am 4. Juni 1976 in Moskau begann, als Leonid Breschnew im zehnten Jahr Generalsekretär der UdSSR war. Und die Welt rätselt, ob der Putin-Kritiker vergiftet wurde, und wer den Befehl dazu gegeben haben könnte.

Im Falle Seneca war es Kaiser Nero, der Petrus kreuzigen und Paulus köpfen ließ, und Seneca empfahl den Giftbecher bis zur Neige zu leeren. Auch Sokrates wurde dazu verurteilt, aus dem Giftbecher zu trinken, weil er angeblich die Götter gelästert habe, und die über ihn das Urteil sprachen, waren die attischen Demokraten, die auf der Agora von Athen, unterhalb der Akropolis, über alles räsonierten. Und Sokrates hatte sich unter ihnen unbeliebt gemacht als peinlich Untersuchenden von Korruptionsfällen, der seine Forschungsergebnisse schonungslos offenbarte. Und mit der knappen Mehrheit von 281 von 500 Stimmen wurde er zum Suizid verurteilt. Und es war Platon, der uns darüber berichtet hat, der auch die Philosophie des Sokrates durch seine Schriften bekannt machte, denn Sokrates hinterließ seine Philosophie nicht schriftlich, wie auch nicht Jesus von Nazareth, den Kaiser Konstantin I. im Jahre 325 auf dem Konzil von Nicäa zum Gott machte, und damit für die Päpste von Rom die Geschäftsgrundlage schuf.

Aber war es Wladimir Putin, so rätselt die Welt, seit Donnerstag dem 20. August, der den Befehl gab den lästigen Mahner Nawalny mit denkbar größter Geräuschlosigkeit aus der Welt der Lebenden zu entfernen? Die Auguren ergehen sich in dunklen Andeutungen, Politiker wie Jürgen Trittin tauchen aus der Bedeutungslosigkeit wieder auf – wie, lebte Trittin denn noch? – und raunen in Mikrophone, wie Norbert Röttgen, dem die Reporter von ARD oder war es das ZDF, mit dem Zweiten soll man besser sehen, und der von Frau Merkel gemeuchelt, sprich gemerkelt wurde, wie die Kronprinzen Helmut Kohls, die alle aufzuzählen sich erübrigt, einen Auftritt in den Abendnachrichten ermöglichten.

Für nicht wenige, die unter der Reichstagskuppel das Volk vertreten, und dem politischen Gegner alles unterstellen, nur keine lauteren Absichten, ist Wladimir Putin der Inbegriff des Bösen und kommt für alle Schurkereien infrage, wie die Baritone in den Opern von Giuseppe Verdi. Und so warten auch wir Deutschen auf die Ergebnisse aus dem Munde der kompetenten Ärzte der Charité, und die Worte Marietta Slomkas oder Klaus Klebers, den Kultfiguren des ZDF, zu dem Fall Nawalny, und denken an den Satz Merkels, der da lautet – wir schaffen das.

Nawalny wollte 2018 Präsident Russlands werden und Wladimir Putin wollte und will es bleiben, wie Nawalny auch Bürgermeister von Moskau werden wollte, und man darf gespannt sein, wie das Spiel um die Macht in Russland weitergeht. Und man sollte in diesem Spiel die Rolle des Patriarchen, Kyrill I., nicht übersehen, denn wer könnte leugnen, dass die heilige Kirche Mütterchen Russlands ein Staat im Staate ist, wie zur Zeit der Zaren? An den Pokertischen um die Macht fehlten nur die Patriarchen, während der Zeit Väterchens Stalins, der im Kampf gegen Adolf Hitler sich der Macht der Kirche und ihrer Gottesmänner erinnerte, und nicht zuletzt mit Hilfe der Popen in Potsdam mit Truman und Churchill um das Schicksal der Deutschen pokerte, und zwischendurch ließ Harry S. Truman auch noch Bomben auf Hiroshima und Nagasaki abwerfen.

Alexei Anatoljewitsch Nawalny ist ein mutiger Mann, der 1998 an der ‚Russischen Universität der Völkerfreundschaft‘ einen Abschluss der Jurisprudenz erhielt und danach bildete er sich im Bereich der Finanzwissenschaft und des Aktienhandels weiter, der Aktionär staatsnaher und staatseigener Betriebe sein soll und die Partei Putin ‚Einiges Russland‘ als die Partei der ‚Gauner und Diebe‘, bezeichnete, welche mit Sicherheit die Zahl seiner Freunde nicht erhöhte. Darum muss es nicht zwangsläufig Putin gewesen sein, der den Mann hinter der Tee-Bar auf dem Airport von Omsk bat, eine besondere Mischung für Nawalny zu kreieren und mit heißem Wasser aufzubrühen, was dazu führte, dass wahrscheinlich Merkel ihren Freund Putin anrief, sie benötigt ja bei ihren Gesprächen mit Putin keinen Dolmetscher, und ihm sagte, mein Freund denke an Nord Stream 2., und Putin antwortete, ich denke an Nord Stream 2 und deinen Freund in Washington, Donald Trump, der die Fertigstellung der Pipeline verhindern will, aber was hat das mit dem Fall Nawalny zu tun, Angela Dorothea? Denke bitte an Michail Gorbatschow, der dich herzlich grüßen lässt, denn ohne Michael wärst du nie geworden, was du heute bist, und wie haben du und deine Freunde Gorbatschow, den Freund der Deutschen, und mich enttäuscht, denke an meine Rede, die ich unter der Kuppel des Reichstages am 25. September 2001 gehalten habe. Du kannst sie im Internet lesen – Angela. Wenn Gerhard Schröder auch nach 2005 Kanzler geblieben wäre, wäre Russland heute Mitglied der Europäischen Union, wie auch die Ukraine, und es hätte nie eine Krim-Krise gegeben.

Das Ringen um das Leben Nawalnys geht weiter und man denkt an die Schweiz, die seit 1848 eine Republik ist, in welcher die Eidgenossen nicht nur über Schicksalsfragen abstimmen, zum Beispiel über den Bau von Minaretten. Die Schweizer erlebten den Untergang der Kaiserreiche, Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland, des Kirchenstaates, in welchem die Menschen, die gegen die Gewalt der Päpste sich auflehnten, bis 1868 auf der Brücke der Engel geköpft wurden, den Untergang der Weimarer Republik, des Dritten Reiches, und sie lehnten es ab, in einer Volksabstimmung am 6. Dezember 1992 der Europäischen Union beizutreten. Und wohin flohen Richard Wagner und Gottfried Semper, der geniale Komponist und Architekt, die beide durch König Friedrich II. von Sachsen steckbrieflich gesucht wurden, der Hofkapellmeister und der Hofarchitekt, weil sie für die Freiheits – und Menschenrechte in der Revolution von 1848/49 in Dresden auf die Barrikaden stiegen? Sie flohen in die Republikanische Schweiz, die älteste Demokratie in Europa, neben der Republik von San Marino, die im Jahre 301, als der Kaiser des Römischen Reiches im Osten Diokletian und im Westen Maximian hieß, gegründet wurde.

Übrigens, für das Jahr 2020 heißt die Bundespräsidentin der Schweiz Simonetta Sommaruga, die als eine von drei Frauen dem siebenköpfigen Bundesrat angehört, die vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020 amtiert, die Vorsteherin des Eidgenössischen Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, die von 2010 bis 2018 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartment leitete. Ja gruezi miteinand, und in Lugano und Eggiwil heimatberechtigt ist. Übrigens – die Bundeskanzlerin der Schweiz von 2008 bis 2015 war die Corina Casanova.

Der Fall Nawalny wird die Medien noch einige Tage beschäftigen, und man kann nur hoffen, dass der Kreml-Kritiker, der selbst in den Kreml einziehen möchte, den Anschlag, von wem auch immer inszeniert, überlebt. Man lese die Königsdramen Shakespeares, der politische Mord ist so alt wie die Menschheit, und daran wird sich auch nichts ändern, und das Gras wächst schneller als man denkt, aber die Schweizer können sich schon glücklich schätzen, dass sie in der Schweiz und nicht in Deutschland oder Russland, Frankreich, Great Britain oder in den USA leben müssen – vor allem nicht in den USA.



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