Kulturmanager, Literat & Satiriker


27. März 2024

Krzysztof Penderecki

starb am 29. März 2020, es war das Jahr der Corona Pandemie, in deren Folge, der Staatsakt für Krzysztof Penderecki zwei Jahre später, am 29. März 2022 stattfand, und Frank Walter Steinmeier, durch den Botschafter Deutschlands, Arndt Freytag von Loringhoven, seine Trauerrede auf den großen Polen verlesen ließ, in der auch diese Worte standen: Wenn wir heute auf Jahrzehnte deutsch-polnischer Aussöhnung und Freundschaft zurückblicken, dann können wir das dank des Engagements der Generationen vor uns. Wir gehen über die Brücke, die Frauen und Männer wie Krzysztof Penderecki zwischen unseren Völkern gebaut haben.

Wer möchte die Worte des Bundespräsidenten im Hinblick auf Krzysztof Penderecki bestreiten, dessen Weltruhm am 30.März 1966 mit der Uraufführung von dessen Passio es mors Domini Jesu Christi secundum Lucam im Paulus Dom zu Münster in Westfalen begann, und dessen vierter Todestag auf den Karfreitag des Jahres 2024, den 29. März fällt, 58 Jahre nach dem Triumph von Münster in Westfalen, der Stadt, in welcher am 24. Oktober 1648 der Westfälische Friede, der zum Religionsfrieden zwischen Katholiken und Protestanten führen sollte, unterzeichnet, jedoch von Papst Innozenz X. nicht anerkannt wurde.

Vom 30.März 1966, wie schon in den Jahren zuvor, bis zum Todestag Pendereckis, dem Komponisten des Polskie Requiem, das weltweit zu den am meisten aufgeführten seiner Werke gehört, am 29. März des Jahres 2020, war das Leben Krzysztof Pendereckis eine Geschichte beispielloser Erfolge im internationalen Musikleben der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute, wie sie nur wenigen der großen Komponisten in der Zeit ihres Lebens beschieden, und das in einer Tonsprache, die ihn zu einem unverwechselbaren Meister machten, wie Bach, Mozart, Beethoven, Brahms, Wagner, Bruckner, Richard Strauss und Gustav Mahler, Verdi und Puccini, und nicht zuletzt Frederic Chopin, einer Tonsprache, die das Publikum verstand und begeisterte, und Penderecki zu einem der größten in der Welt der Musik machten.

Penderecki, am 23. November 1933 in Debica im Karpatenvorland geboren, musste zwei Diktaturen erleben, den Terrorstaat Adolf Hitlers und, nach dessen Untergang, den Terrorstaat der Vasallen Josef Stalins und nicht zuletzt darum widmete Penderecki den ersten Satz seines Requiems, überschrieben mit dem Wort Lacrimosa, den Werftarbeitern der Danziger Leninwerft im Jahre 1980, die mit ihrem August-Aufstand an den Aufstand von Danzig, Gdingen, Stettin und Elbing im Jahre 1970 erinnerten, und dieses Lacrimosa hörten mehr als 100.000 Menschen bei der Enthüllung für die Toten der Aufstände, und machten Krzystof Penderecki zum Nationalkomponisten Polens, dessen Oratorium Dies irae er den Opfern von Auschwitz widmete.

Krzysztof Penderecki war ein Bekenntnismusiker, wie nicht zuletzt seine Opern Die Teufel von Loudun, Paradise Lost, Die Schwarze Maske, und die Satire Ubu Rex, welche die politischen Idiotien und Infamien, die täglich auf den Spielplänen der allzu menschlichen Komödien stehen, musikalisch zum Ausdruck bringt.

Die Stardirigenten des Heute und Jetzt meiden seine Werke außerhalb Polens aufzuführen, die von Gastdirigat zu Gastdirigat eilen, und in Berlin, Hamburg, Wien, München und wo auch immer die gleichen Werke aufführen, und mit zehn und zwanzig Werken in ihrem geringen Repertoire-Köfferchen sich durch das Musikleben schlängeln, nämlich mit Beethoven, Bruckner, Brahms und Mahler, hin und wieder etwas Mozart, auch mal Werke von Ravel, es ist als wolle man die Menschen verpflichten immerzu nur Goethes Faust vorgelesen zu bekommen – möglichst von Klaus Maria Brandauer oder Die Klavierspielerin von Elfriede Jelinek, vorgelesen durch die Autorin im Wiener Burgtheater. Spätesten dann denkt man an den leicht abgewandelten Witz, in dem ein Wiener Philharmoniker gefragt wird, wer dirigiert denn heute das Konzert, und der Bratscher Friedrich Stoßmeier, der noch Herbert von Karajan erlebte, antwortet: Fragen Sie mich das im Ernst? Wir spielen unseren Bruckner, wie immer, wir können unsern Bruckner auch von hinten nach vorne spielen, ohne noch in die Noten sehen zu müssen, wenn’s gewünscht wird, bittschön.

Krzysztof Penderecki, zu Lebzeiten als Komponist erfolgreicher nicht sein könnend, dem das Publikum weltweit zujubelte und dem die Damen und Herren des Feuilletons nicht zuletzt darum immer wieder vorwarfen, dass er die Avantgarde von Donaueschingen und anderswo verraten habe – welcher Vorwurf ist noch stumpfsinniger und idiotischer? – hat eine unvergängliche Musik hinterlassen, wie Johann Sebastian Bach.

Als Voltaire im Jahre 1753 Potsdam und Friedrich II. von Preußen verließ, weil ihm ein Königshof ohne Frauen den letzten Nerv gekostet, soll er Johann Christoph Gottsched, während seines Aufenthaltes nach Bach gefragt haben, dessen Musik er am Hofe Friedrichs des Großen gehört hatte. Und Johann Christoph Gottsched, Schriftsteller, Dramaturg, Sprachforscher, Literaturtheoretiker, sowie Professor für Poetik, Logik und Metaphysik an der Universität Leipzig, und Herausgeber der Zeitschrift Der Biedermann, soll Voltaire gefragt haben: Cher collège, qui est Bach.

Heute schmückt sich Leipzig mit dem Namen Johann Sebastain Bachs, nennt sich Bachstadt-Leipzig. Als Leipzig die 800-Jahrfeier des Thomanerchores im Jahre 2012 feierte, bat der damalige Thomaskantor Christoph Biller, der sechszehnte Thomaskantor nach Johann Sebastian Bach, Krzysztof Penderecki ein Opus für das Festkonzert zu komponieren. Und Penderecki, der Ehrendoktor der Universität Leipzig, komponierte eine Missa brevis.

Dem Ehrenmitglied der Gesellschaft der Freunde Wien wurde in Leipzig ein Baum gewidmet, denn Penderecki liebte die Natur, und von dieser Liebe zeugt nicht zuletzt der herrliche Park, der nach seinen Plänen in Luslawice entstand, wo sich auch das Europejskie Centrum Muzyki Krzysztofa Pendereckiego mit einem Konzertsaal aus der zauberhaften Landschaft des Karpatenvorlandes erhebt, heute eine Stiftung der Republik Polen.

Ich hoffe, dass meine Musik mich überlebt, sagte Krzysztof Penderecki, meine Bäume tun es sicherlich. Seine Musik wird die Zeiten überdauern, wie die Musik seines großen Vorbildes – Johann Sebastian Bach.



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