Kulturmanager, Literat & Satiriker


16. Januar 2024

Die Bauern und die Ampelmännchen von Berlin

Die Bauern des Jahres 2024 beherrschen die Schlagzeilen, denn mit ihren Traktoren fahren Sie vor das Bundeskanzleramt, vor die Ministerien, die Rathäuser, und fordern nicht nur gerechten Lohn für ihre Produkte, sondern sie protestieren auch für die Streichungen von Subventionen, weil die Ampelmänner nicht mehr wissen, woher sie das Geld nehmen sollen, um alle versprochenen Wohltaten für ihre Klientel zu finanzieren, auch die Welt, das Klima und die Ukraine sollen vor Putin und dem Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus, dem Waffen-Segenspender, geschützt werden, der von einem Gottesstaat von Portugal bis Wladiwostok träumt, Luxusuhren aus Glashütte in Sachsen von Lange & Söhne und Glashütte Original trägt, mehr als ein Privatvermögen von 10,7 Milliarden US-Dollar auf seinen Schweizer Konten haben soll – kann man so viel Geld mit Beten verdienen? – und eigentlich am 25. Februar 2022 den Siegesgottesdienst in der Uspensky-Kathedrale von Kiew über die sily t’my, die Mächte der Finsternis, gemeinsam mit der Lichtgestalt Russlands, Waldimir Putin, feiern wollte.

Das erinnert fatal an das Jahr 1524,also vor fünfhundert Jahren, als die Bauern bereits ihre Rechte bei den Mächtigen von Kirche und Staat einforderten. Die Kirchenfürsten spielen im Jahre 2024 keine alles dominierende Rolle mehr, anders als im Jahre 1524 christlicher Zeitrechnung, als Martin Luther verkündete: seid Untertan der Obrigkeit, und sich dabei auf den Völkerapostel Paulus in dessen Brief an die Römer berief, gegen die Bauern seine Schreibfeder in die Tinte tauchte und seine Predigerstimme einsetzte, nachdem sich abzeichnete, dass die Bauern in ihrem Kampf für mehr Gerechtigkeit gegen Deutschlands Fürsten von Kirche und Staat verlieren würden, denn die Leibeigenschaft der Bauern wäre von Gott gewollt, wie auch die Abgabe des Zehnten, und Philipp Melanchton, der zweite unter den Reformatoren des christlichen Glaubens, schrieb in einem Brief an Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz: ….. dass dies ein wildes ungezogenes Bauernvolk sei und die Obrigkeit recht tue. Außerdem ist der Zehnte rechtens, die Leibeigenschaft und Zinsen sind nicht frevelhaft. Auch schrieb der Reformator Dr. Melanchton: Die Obrigkeit kann die Strafe setzen nach der Not im Lande und die Bauern haben nicht das Recht ihrer Herrschaft ein Gesetz zu diktieren. Für solch ein ungezogenes, mutwilliges und blutgieriges Volk nennt Gott das Schwert.

Die erste Erhebung im Bauernkrieg fand am 23. Juni 1524 im Wutachtal bei Stühlingen statt, und die Aufstände setzten Mittel – und Süddeutschland, wie Tirol in Aufruhr, denn die Bauern forderten in zwölf Artikeln ihre Rechte, darunter die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Abschaffung des Zehnten an Kirche und Staat, die Abschaffung willkürlicher Strafen, und die Reduzierung der Frondienste. Nichts davon wurde den Bauern zugestanden, und darum war eine der furchtbarsten Schlachten das Gemetzel am 15. Mai 1525 in Frankenhausen, mit Pastor Thomas Müntzer als Anführer der Bauern; ein Ereignis, welches Erich Honecker, den Staatsratsvorsitzenden der DDR, des Arbeiter – und Bauernstaates, veranlasste, dem Leipziger Maler Werner Tüpke, den Auftrag zu erteilen, die Schrecknisse dieser Schlacht in dem Bild Der Bauernkrieg zum Lob und Ruhme der DDR zu verewigen.

Im Jahre 1976 begann Tübke mit dem gigantischen Rund-Bild, dass er 1987 vollendete, das jährlich tausende und abertausende Menschen nach Bad Frankenhausen am Südhang des Kyffhäuser führt, diesem von Sagen umwobenen Höhenzug in Thüringen, um das Meisterwerk zu bewundern, und stumm das eigens dafür erbaute Museum so beindruckt zu verlassen, wie die Sixtinische Kapellen in Rom mit den Werken Michelangelos.

Martin Luther schrieb nach der Schlacht der Bauern am 17. April des Jahres 1725 vor den Toren der Stadt Weinsberg, die Bauern hatten den Grafen Ludwig von Helfenstein und dessen Soldaten erschlagen: man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.

Dies und mehr schrieb der Mann in das Stammbuch der Deutschen, der auch die Menschen seiner Zeit wissen ließ: Eine feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen, er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen.

Und von der Leibeigenschaft waren die Bauern bis ins 19. Jahrhundert betroffen. Im Königreich Preußen wurde die Erbhörigkeit, Erbuntertänigkeit und Leibeigenschaft nach jahrzehntelanger, wie stufenweiser Beseitigung, nicht ohne Kämpfe, durch Erlass des Königs, Friedrich Wilhelm III., im Zuge der Preußischen Reformen erst 1810 beendet. Kaiser Joseph II. beendete die Leibeigenschaft in den Ländern der Habsburger Monarchie im Jahre 1782, nach de Tode seiner Mutter, Kaiserin Maria Theresia, und ersetzte diese durch eine gemilderte Erbuntertänigkeit. Doch im Jahre 1848 brachen in Franken, Schwaben und Bayern wieder Bauernaufstände aus, die Bauern verweigerten Fron und Abgaben, wie auch im Kaiserreich Österreich.

Dies alles wirft die Frage auf, haben die Mächtigen des Jahres 2024 in Berlin, und den Hauptstädten deutscher Länder denn kein historisches Wissen? Sind sie nur auf ihre Macht, ihre Wiederwahl und Pfründen fixiert und leisten der AfD Vorschub? Kann man ohne jedes historisches Wissen Politik betreiben? Man kann, wie die Ampelmänner beweisen.

Im Grundsatzprogramm der SPD, beschlossen am 28. Oktober des Jahres 2007 in Hamburg an der Elbe, kann man lesen: Das 21. Jahrhundert ist das erste wirklich globale Jahrhundert. Dieses Jahrhundert wird entweder ein Jahrhundert des sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Fortschritts, der allen Menschen mehr Wohlfahrt, Gerechtigkeit und Demokratie eröffnet. Oder es wird ein Jahrhundert erbitterter Verteilungskämpfe und entfesselter Gewalt. Und natürlich steht auch irgendwo in dem Programm der SPD aus dem Jahre 2007: wir wollen Arbeit, die gerecht entlohnt wird.

Und die Frage, die immer wieder gestellt wird, ist, warum muss eine Situation immer wieder eskalieren. Warum sind Politiker erst dann bereit mit dem Volk zu sprechen, wenn ihre Macht bedroht ist?

Die Parteien starren auf die Sonntagsfrage, denn die AfD ist seit der Bundestagswahl des Jahres 2021 von 10,3 auf 24 Prozent gestiegen, die SPD von 25,7 Prozent auf 13 bis 15 Prozent gefallen, wie nicht nur das Politbarometer von Sonntagsfrage zu Sonntagsfrage aussagt. Und die AfD fordert in ihrem Grundsatzprogramm Volksabstimmungen wie in der Schweiz. In der Schweiz hat das seit 1848 funktioniert. Warum sollte es in Deutschland nicht funktionieren? Die AfD strebt eine Neugestaltung des Wahlsystems an, die dem Wähler die Entscheidung über die personelle Zusammensetzung der Parlamente ermöglicht und das freie Mandat der Abgeordneten stärken soll. Ist es schon daher falsch, weil es die AfD fordert? Die AfD fordert einen Straftatbestand der Steuerverschwendung durch Politiker? Ist das schon deshalb falsch und verwerflich, weil der Vorschlag von der AfD kommt?

Im 19. und 20. Bundestag wurden und werden die Volksvertreter der AfD ausgegrenzt, man verweigerte ihnen einen Bundestagsvizepräsidenten, wie den Vorsitz in Ausschüssen des Bundestages. War und ist dies der richtige Weg? In jeder Partei gibt es Mitglieder mit extremen Ansichten, linken wie rechten, aber auch Joachim Gauck, unser aller Ex-Bundespräsident, sagte, dass die Aufnahmefähigkeit von Emigranten begrenzt und der Staat durch eine falsche Einwanderungspolitik gefährdet ist. Und was ist, wenn man im September 2025 feststellt, dass die AfD und die CDU/CSU eine Regierung bilden müssen, und Herr Merz unter der Kanzlerin Frau Dr. Weidel Finanzminister wird, denn wie sagte schon der erste Vorsitzende der CDU, Dr. Konrad Adenauer: Wat kümmert mich mein Jeschwätz von jestern.

Mit Frau Merkel stieg Deutschland aus der Kernenergie aus. Doch in den USA erzeugen 93 Atomkraftwerke Strom, in Frankreich 56, in China 55, in Russland 37 und in der Ukraine 15. Dafür hat Deutschland die höchsten Energiepreise, doch ein Liter Milch bei Aldi, mit dem Prädikat „Sehr gut“ bewertet, kostet 1,32 Euro. Was verdient da noch der Bauer?

Frau Dr. Sahra Wagenknecht hat die Partei für Vernunft und Gerechtigkeit gegründet. Man wird sehen, ob die Frauen und Männer um Sahra Wagenknecht Deutschland retten werden, denn wie sagte Voltaire: Man kann die Menschen zur Vernunft bringen, indem man sie dazu verleitet, dass sie selbst denken. Und bitte: was ist Politik aus christlicher Verantwortung? Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Worte, die wir Johann Wolfgang von Goethe verdanken. Und das fragen sich auch die Bauern, denn laut Umfrage, die uns die Mittel schaffen, um zu leben – sprich Lebensmittel, glauben die Deutschen nicht, das Friedrich Merz besser regieren würde, als Olaf Scholz. Aber das hilft Olaf Scholz auch nicht weiter, denn wie sagte Helmut Schmidt: Man soll die Dummheit von Regierungen nicht unterschätzen. Und das gilt auch, und nicht zuletzt, für die Hampelmänner, sorry, die Ampelmännchen von Berlin.



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