Kulturmanager, Literat & Satiriker


16. Mai 2023

Kölner-Kirchenfürsten

Die Erzbischöfe von Köln gehörten zu den mächtigsten Kirchenfürsten des Heiligen Römischen Deutscher Nation, und ihre Liste beginnt mit Maternus, der im Jahre 313 oder 314 das Bistum Köln gründete, bevor auf dem Konzil von Konstantinopel unter dem Vorsitz Kaiser Konstantin I., Jesus von Nazareth im Jahre 325 vergöttlicht wurde, eines Wesens mit Jahwe, dem Gott der zwölf Stämme Israels, und 78 Jahre bevor die Jesus-Sekte durch Kaiser Theodosius I. auf dem Konzil von Konstantinopel des Jahres 381 zur alleinige Staatskirche erhoben und alle anderen religiösen Kulte, auch die römische Staatsreligion mit ihrem Himmel voller Götter, verboten wurden.

Und, wie die Bischöfe von Rom, stiegen auch die Erzbischöfe von Köln im Lauf der christlichen Jahrhunderte, zu den mächtigsten Fürsten des Reiches auf. Sie gehörten zu den princeps elector imperii, zu den sieben ranghöchsten Fürsten des Reiches, denen seit dem 13. Jahrhundert das alleinige Recht der Königswahl zustand, und die römisch-deutschen Könige besaßen seit dem 10. Jahrhundert den Anspruch auf die Kaiserwürde. Die sieben Kurfürsten waren die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen.

An diese große Vergangenheit erinnert man sich in diesen Tagen, wenn man die neuesten Nachrichten über den amtierenden Erzbischof der Rheinmetropole, Rainer Maria Kardinal Woelki, hört und liest, den 95. Erzbischof in der Geschichte der mächtigen Kirchenfürsten von Köln, seit dem Jahre 795, seit Erzbischof Hildebold, dem Berater Karls des Großen, der tief in die Sexualdelikte nicht weniger seiner Priester verstrickt sein soll, indem er sie nicht der weltlichen Gerichtsbarkeit überantwortete, sondern über ihre sexuellen Verfehlungen mit Jungen und Mädchen den Mantel der Nächstenliebe ausbreitete, um Schaden von seiner Kirche, der Lehrerin der Völker, der Instanz denkbar höchster Moral, abzuwenden, ein Kirchenfürst unter vielen.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln gegen einen Pontifex der Kirche, die sich seit Jahrhunderten als die einzig wahre postuliert, sind aber in der Geschichte weder einmalig noch einzigartig, denn im 19. Jahrhundert tobte der Kulturkampf Otto von Bismarcks gegen die Kirche von Rom, kämpfte Papst Pius IX. und sein Nachfolger, Leo XIII., gegen die von Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck verfolgte Trennung von Kirche und Staat, und dieser Kampf, die Trennung von Kirche und Staat herbeizuführen, tobte nicht nur im deutschen Kaiserreich, und Königreich Preußen, er tobte im Kaiserreich Österreich, im Königreich Bayern, in Frankreich, Belgien, der Schweiz, in Spanien und Portugal und nicht zuletzt in Italien und allen Ländern Lateinamerikas. Wer sollte obsiegen, der Papst, Pius IX., der sogar die Gedankenfreiheit als Sünde wider Gott und seine Gebote postulierte, mit dem Anspruch des Primats der katholischen Religion über Staat, Gesellschaft und Wissenschaft, oder die Trennung von Kirche und Staat, der sich im Königreich Preußen an der Frage der Zivilehe entzündete, die von Bismarck eingeführt wurde, um die Macht der Kirche nach Jahrhunderten der Indoktrination zu brechen.

Im Dezember 1871 überraschte Bismarck die katholischen Kirchenfürsten mit dem Kanzelparagraph, der es Geistlichen verbot den öffentlichen Frieden durch ihre Predigten und Hirtenbriefe zu gefährden; im Juli 1872 wurde das Jesuitengesetz erlassen, welches die Gesellschaft Jesu in Preußen verbot, und im Februar 1875 wurde im Deutschen Reich die Zivilehe eingeführt, und das Brotkorbgesetz entzog der Kirche die staatlichen Zuwendungen. Bischöfe und Priester, die den Anweisungen des Staates nicht folgten, drohte Gefängnis. Nicht nur der Erzbischof von Posen, Mieczyslaw Kardinal Halka Ledóchowski, und der Bischof von Trier, Matthias Eberhard wurden verhaftet, gemeinsam mit mehr als 1800 Priestern, welche die Gesetze des Deutschen Reiches ignorierten, auch der Erzbischof von Köln, der Jesuit Paulus Kardinal Melchers, geboren im Jahre 1813 in Münster in Westfalen, gestorben am 14. Dezember 1895 in Rom, der sich auf dem Vatikanischen Konzil des Jahres 1870 gegen das Unfehlbarkeitsdogma Pius IX. und aller seiner Nachfolger aussprach. Melchers, der permanent gegen die Maigesetze von 1873, 1874 und 1875 verstieß, die unter anderem beinhalteten, dass Priester ein dreijähriges Studium in Philosophie, Geschichte und Literatur, das sogenannte ‚Kulturexamen‘ vorweisen mussten, wenn sie zum Priesteramte zugelassen werden wollten, auch war die Anstellung eines Geistlichen in einer Pfarrei mit einer Anzeigepflicht verbunden, wurde zu Geldstrafen verurteilt, und da er diese nicht zahlte, beziehungsweise nicht zu zahlen bereit war, wurde er im Jahre 1874 zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt und im berüchtigten Gefängnis ‚Klingelpütz‘ inhaftiert.

Nachfolger Kardinal Melchers im Jahre 1885, wurde Philipp III. Kardinal Krementz, der vor seiner Ernennung als Erzbischof von Köln, als Bischof von Ermland in Frauenburg amtierte, und, wie Melchers, ein entschiedener Gegner des Infallibilitäts-Dogma, wie des Jurisdiktionsprimats der Päpste war, wie es auf dem ersten Vatikanischen Konzil der Jahre 1869/70 beschlossen wurde und zu den Konzilsvätern gehörte, der mit 54 weiteren Bischöfen vor der feierlichen Verkündung des Dogmas durch Pius IX. aus Rom abreiste, um nicht für das Dogma stimmen zu müssen.

Jahrhunderte wähnten sich die Fürsterzbischöfe von Köln nicht nur im Besitz der ‚absoluten Glaubenswahrheiten‘, sie übten auch das Jurisdiktionsprimat aus, welches heute nur noch ein Bischof besitzt und anwendet – der Bischof von Rom, und das seit 1870, der über den Status Pontificius die absolute Gewalt innehat, wie es das Grundgesetz des Vatikanstaates in der Präambel expressis verbis vom 26. Februar des Jahres 2000 aussagt: Artikel 1 des Grundgesetzes des Vatikanstaates vereint die Gewalten der Legislative, Exekutive und Judikative in der Person des Papstes, der als Inhaber des Heiligen Stuhles auch Souverän des Vatikanstaates ist.

Johannes Paul II., eine der größten Gestalten nicht nur der Geschichte der Päpste, verkündete das Gesetz am 26. November des Heiligen Jahrs 2000, dem Christkönigsfest, dem ‚Hoch-Fest Jesu Christi, als König der Welt‘, das im Jahre 1925 erstmals im Kampf gegen den Laizismus gefeiert wurde. Und das Gesetz trat in Kraft am Fest der Kathedra Petri – am 22. Februar 2001. Es ist der Tag, an dem die Ecclesia der Übernahme des Bischofsamtes von Rom durch Petrus gedenkt.

Der Stato Pontificio ist eine Theokratie und die Päpste wurden im Weströmischen Reich die Nachfolger der Kaiser, die als Götter verehrt wurden. Die Huldigung der vergöttlichten Kaiser war ein Bekenntnis zu den Prinzipien des römischen Reiches. Doch abgesehen vom öffentlichen Kaiserkult, dem sacra publica, galt Religion als sacra privata, als Privatangelegenheit, jeder konnte nach seiner Facon selig werden. Juden und Christen zogen jedoch Misstrauen und Zorn auf sich, wenn sie sich weigerten den Kaiser als Gott anzuerkennen, denn damit lehnten sie auch die religiös legitimierte Staatsordnung des Römischen Reiches ab.

Durch die christlichen Kaiser Konstantin I. und Theodosius I. wurde das Christentum nach mehr als dreihundert Jahren im Untergrund zur Staatsreligion erhoben und alle konkurrierenden religiösen Kulte verboten, sodass der Glaube an Jesus Christus, als den eingeborenen Sohn Gottes zur Weltreligion werden konnte. Im oströmischen Reich, mit der Hauptstadt Konstantinopel, lebte der Kaiserkult fort, indem sich die Kaiser Ostroms als rex sacerdos, als Priesterkönige, und, wie die Päpste, sich als Stellvertreter Christi verstanden, und dieser Kult endete erst mit Kaiser Konstantin XI. im Jahre 1453 und der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II. und dem Untergang des christlichen Reiches von Byzanz.

Zu den Kurfürsten des Erzbistums und Hochstifts Köln gehörten die Erzbischöfe Ernst, Ferdinand, Maximilian, Joseph Clemens, und Clemens August von Bayern, Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels, und der Sohn Kaiserin Maria Theresias von Österreich-Habsburg, der jüngste Bruder der Kaiser Joseph II. und Leopold II., Maximilian Franz von Österreich, in dessen Hofkapelle Ludwig van Beethoven spielte, der als letzter Fürsterzbischof und Despot regierte, ehe das Hochstift Köln, wie die Hochstifte Mainz und Trier in den Napoleonischen Kriegen unterging, und der ganzvollste unter ihnen war Clemens August Ferdinand Maria Hyazinth Herzog von Bayern, geboren am 16. August 1700 in Brüssel, der im Jahre 1723, also im Alter von dreiundzwanzig Jahren Erzbischof von Köln, Landesherr des Erzstiftes Köln und damit gleichzeitig Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches, Legatus natus des Heiligen Apostolischen Stuhls zu Rom und Erzkanzler für Reichsitalien wurde. Ferner war der Kölner Fürsterzbischof, Fürstbischof von Paderborn, Münster in Westfalen, Hildesheim und Osnabrück und Hochmeister des Deutschen Ordens. Er baute Schlösser, die heute zum Welterbe der Unesco gehören, wie Schloss Augustusburg und Schloss Falkenlust in Brühl, zwischen Köln und Bonn, die Residenz in Bonn wurde ausgebaut, heute das Hauptgebäude der Universität und er liebte die Frauen an seinem Bonner Hof, der Residenz der Fürsterzbischöfe von Köln seit dem Jahre 1263 – Fürstinnen, Herzoginnen, Gräfinnen und die Harfenistin seiner Hofkapelle – Mechthild Brion, mit der er eine Tochter zeugte, die selbstredend geadelt wurde – Anna Maria zu Löwenfeld. Und der erzbischöfliche Liebhaber liebte nicht nur die Jagd auf Frauen, sondern er liebte auch die Jagd auf Hoch – und Niederwild.

Doch vom 77. Fürsterzbischof von Köln, Clemens August von Bayern, der am 6. Februar 1761 auf Schloss Philippsburg bei Koblenz im Kurfürstentum Trier starb, zu dem heute amtierenden Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, der, wie kein anderer Kirchenfürst die Medien beschäftigt, und die Frage ist, wird dieser Mann Gottes des Meineids angeklagt und verurteilt werden, und würde Franziskus einen Nachfolger benennen müssen, denn die letzte Instanz in der Römischen Kirche ist der Papst, sind die Päpste, denen seit dem Jahre 1870 nicht nur durch das I. Vatikanische Konzil die Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens zuerkannt und bestätigt wurde, die Konzilsväter stimmten auch für den Jurisdiktionsprimat, das damit zum Dogma erhoben wurde.

Sollte es zu einer Verurteilung des Kardinalerzbischofs von Köln kommen, wäre dies ein Menetekel, dass die Trennung von Kirche und Staat – man denke nur an die Kirchensteuer – auch in Deutschland langfristig nicht mehr abwendbar ist, denn die politische Elite geht auf Distanz zur kirchlichen Elite.

Und nicht nur die katholische Kirche ist durch die Austritte ihrer Mitglieder in ihrem Bestand als Großkirche bedroht, auch den Kirchen der Reformation kommen die Mitglieder abhanden, und die Zahl der Konfessionslosen stieg im Jahre 2021 auf über 35 Millionen, während die Zahl der Katholiken auf 26 Millionen zurückging und alljährlich weiter dramatisch zurückgeht.

In der Zeit der Kurfürsten von Köln, also bis 1806 war Köln eine katholische Stadt, mit einer Jüdischen Gemeinde, der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen, urkundlich erwähnt bereits im Jahre 321, die durch die Jahrhundert, trotz immer wiederkehrender Pogrome, im 19. Jahrhundert die wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Elite bildete. Die ältesten Kölner Bankiers waren Juden, deren monopolartige Stellung bereits im Jahre 1266 durch Erzbischof Engelbert II. verbrieft wurde. Bis in die Gründerzeit gab es eine Vielzahl jüdischer Bankhäuser, wie die Dynastie Oppenheim seit 1798 und das Bankhaus Seligmann. Und Karl Marx schrieb für die im Jahre 1842 gegründete Rheinische Zeitung, wie aus Moses Hess, doch in der Zeit des Nationalsozialismus fand der Antisemitismus auch in Köln eine furchtbare Auferstehung, an dem sich nicht zuletzt die Karnevalisten beteiligten, während der Nachfolger von Kardinal Schulte, Joseph Frings, am 21. Juni 1942 zum Erzbischof geweiht, die Verfolgung der Juden als himmelschreiendes Unrecht bezeichnete, und nach dem Ende des Nazi-Staates in die CDU Konrad Adenauers eintrat, dessen bischöflicher Wahlspruch lautete: Pro homnibus constitutes, für das Volk berufen.

Man darf gespannt sein, wie die Vita des dritten Nachfolgers von Joseph Kardinal Frings, nach Joseph Kardinal Höffner und Joachim Kardinal Meisner – Rainer Maria Kardinal Woelkis, des 95. Erzbischofs von Köln in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti weitergeht. Und wer möglichweise sein Nachfolger werden könnte. Dabei rückt ein Name in den Focus – Erzbischof Georg Gänswein, der ehemalige Privatsekretär Benedikt XVI. und Präfekt der Präfektur des Päpstlichen Hauses, dessen Buch Nichts als die Wahrheit. Mein Leben mit Benedikt XVI., auch in Deutschland ein Bestseller wurde. Wird Georg Gänswein, der Schwarzwälder Gottesbote, der 96. Erzbischof von Köln, der Stadt, in der die Närrinnen und Narren, während der Karnevalssession vom 11. November bis Aschermittwoch singen: Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang?



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