Kulturmanager, Literat & Satiriker


19. Juli 2022

Enoch zu Guttenberg

der leidenschaftliche Bekenntnismusiker und Umweltschützer, geboren am 29. Juli 1946, starb am 15. Juni 2018 plötzlich und unerwartet, und am 4. Juli diesen Jahres, in welchem Wladimir Putin sich entschloss die Ukraine als erstes Land des ehemaligen Imperiums der Sowjetunion seinem Reiche wieder einzugliedern, ob es ihm gelingt und weitere folgen, ist eine offene Frage, wurde Horst Seehofer auf Schloss Guttenberg die ‚Enoch zu Guttenberg-Medaille‘ verliehen, die der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz & Biodiversität e.V. erstmalig an den ehemaligen Ministerpräsidenten Bayerns verlieh.

Enoch zu Guttenberg, der uns den Satz hinterließ – Kunst allein reicht nicht, Kunst ist immer Botschaft, ist immer Inhalt, der Dirigent und Umweltschützer, der aus der CSU austrat, weil der damalige Ministerpräsident Max Streibl, geboren in Oberammergau, nicht an einer Demonstration gegen Antisemitismus teilnehmen wollte, der so alt ist wie das Christentum, der aus dem Bund Naturschutz austrat, den er am 20. Juli 1975 in Berlin mitbegründet, weil der Bund Naturschutz Windräder bejahte, und der zwei Monate vor seinem Tode den Echo-Klassik zurückgab, aus Protest, dass die Rapper Kollegah und Farid Bang mit dem Preis geehrt worden waren, trotz ihrer antisemitischen Texte, hat selten in seinem Leben Kompromisse gemacht und machen müssen, weil er nicht nur auf Grund seines Vermögens unabhängig war, ein Mann, der aus einem Gesangverein in dem wunderschönen Dorf Neubeuern – es wurde im Jahre 1981 zum schönsten Dorf Deutschlands gewählt – , einen der besten Chöre Deutschlands und Europas formte, mit dem Enoch zu Guttenberg nicht nur in Hongkong, Peking, London und der Bachstadt Leipzig gefeiert wurde, sondern auch in Rom, als er für Benedikt XVI. das Requiem von Verdi mit der Chorgemeinschaft Neubeuern aufführte. Das Orchester, welches er dirigierte, hatte er selbst gegründet, die KlangVerwaltung München.

Was die Söhne des Dirigenten, mit den vierzehn Vornahmen, Karl-Theodor zu Guttenberg und Philipp Franz zu Guttenberg, bei der Preisverleihung an Horst Seehofer gedacht haben, der von 2008 bis 2018 Bayern regierte, ist reine Spekulation, aber wer durch Bayern fährt, nimmt mit Entsetzen zur Kenntnis, gegen welche Ignoranz Enoch zu Guttenberg ankämpfte, den ich im Jahre 1988 erst kennenlernte, als ich ihn als Manager des NDR-Sinfonieorchesters verpflichten konnte, und ich bedauerte, dass ich während meiner Zeit als Intendant der Münchner Philharmoniker ihm nicht begegnete, doch als ich im Jahre 1991 Leiter der Hauptabteilung Klangkörper des MDR wurde und das Musikfestival MDR-Musiksommer gründete, bot ich Enoch zu Guttenberg an Principal Guest Conductor der MDR-Orchester und des Chores zu werden, und wir planten ein Festival in Weimar zu gründen. Dazu kam es nicht, und Enoch zu Guttenberg gründete sein Festival auf der Insel Herrenchiemsee.

Zu meinen vielen Erinnerungen an ihn gehörte die Aufführung der h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach mit der Chorgemeinschaft Neubeuern und der Kammerphilharmonie des MDR in der Thomas-Kirche zu Leipzig, der mit dem MDR-Chor, der MDR-Kammerphilharmonie und dem Sinfonieorchester des MDR auch auf Tourneen ging, unter anderen in die Niederlande, nach Prag, und in den MDR-Abonnement-Konzerten in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und München auftrat, wie er im Gewandhaus Leipzig und in der Semper-Oper Dresden Triumphe feierte.

Enoch zu Guttenberg hat unter der Flurbereinigung gelitten, und wer sehen möchte, wie Bayern vor der Flurbereinigung aussah, muss in den Kreis Miesbach fahren, und die Haglandschaften bewundern, die einmal das Landschaftsbild Bayerns durch die Jahrhunderte prägten.

Ich habe unter der Flurbereinigung gelitten, und werde immer daran leiden, hat mir mein Freund Enoch zu Guttenberg, der Großgrundbesitzer, mehr als einmal gesagt, der auch nicht akzeptieren wollte, dass die Bundesautobahn A20 gebaut wurde, und ich war als Veranstalter an seiner Seite, als er mit den Klangkörpern des MDR in der Petri-Kirche zu Lübeck sein Protestkonzert dirigierte und zu Beginn des Konzertes einen flammenden Appell an die Menschen in der vollbesetzen Kirche richtete.

Kann die ‚Enoch zu Guttenberg-Medaille‘, die alljährlich verliehen werden soll, einen Beitrag dazu leisten die Nachteile der Flurbereinigung zu minimieren? Horst Seehofer, der nicht nur seine politische Karriere als Innenminister beendete, und von 2005 bis 2008 im Kabinett Merkel I. Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz war, kämpfte mit Enoch zu Guttenberg, wie man liest, gegen die Windräder, und wer denkt nicht da an den spanischen Dichter Miguel de Cervantes, der seinen Helden Don Quijote gegen Windmühlen kämpfen ließ?

Und wer an Politiker denkt, denkt zwangsläufig an den Sohn Enoch zu Guttenbergs, Karl-Theodor zu Guttenberg, den Horst Seehofer im Jahre 2008 zum Generalsekretär der CSU ernannte, und nicht wenige wünschen und erhoffen sich eine Rückkehr des Mannes, der bereits als Nachfolger Angela Merkels an der Meinungsbörse gehandelt wurde – Dr. Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg.

Am 10. Juni des Jahres 2018 wollte ich Enoch zu Guttenberg, mit dem ich zwei Jahrzehnte freundschaftlich verbunden, im 10. Philharmonischen Konzert des Staatsorchesters Hamburg in der Elbphilharmonie erleben. Auf dem Programm stand, vor der Neunten Beethovens mit der „Ode an die Freude“, die Bachkantate, BWV 131 „Aus der Tiefe rufe ich Herr zu dir.“ Die Macht des Schicksals, la forza del destino, hat es verhindert.



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