Kulturmanager, Literat & Satiriker


30. November 2022

Heinrich XIII.

der mir,im Gegensatz zu Heinrich VIII. von England, der zwei seiner sechs Ehefrauen köpfen ließ, nämlich Anne Boleyn und Catherine Howard, bis vor wenigen Tagen unbekannt, und als ich las, dass Heinrich XIII. kein geringerer als ein Fürst von Reuß wäre, erinnerte ich mich an die Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg, wie an die Großherzogtümer, Herzog – und Fürstentümer, die mit dem Deutschen Kaiserreich, am 9. November 1918 liquidiert wurden, das, am 1. Januar 1871 durch Otto von Bismarck ausgerufen, 47 Jahre existierte, während die DDR 40 Jahre, die Weimarer Republik 15 und das Großdeutsche Reich Adolf Hitlers 12 Jahre dauerten, und die Bundesrepublik Deutschland bereits 73 Jahre besteht, und eine Ende sich nicht angekündigt, obwohl die Menschen, die sich nach dem Ende von Recht, Einigkeit und Freiheit sehnen, in nachdenklich machender Weise zunimmt.

In Goethes Faust I., Vers 4610, sagt Margarete: Heinrich, mir graut’s vor dir. Und an diese Worte, die zum Zitatenschatz der Deutschen gehören, erinnert man sich, wenn man über Heinrich XIII. von Reuß in diesen Tagen liest, der die Bundesrepublik in einen Staat der Reichsbürger transformieren wollte, indem er mit seinen Anhängern den Reichstag stürmen und sich wahrscheinlich zum König von Preußen und Kaiser von Deutschland erklären wollte, so wie Otto von Bismarck, am 18. Januar 1871 im Schloss von Versailles, dem Schloss der Könige von Frankreich, Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen zum Deutschen Kaiser ausrief. Und mit dem Kaiserreich, den vier Königreichen, sechs Großherzogtümern, den fünf Herzogtümern und sieben Fürstentümern verschwanden auch die Fürstentümer Reuß der älteren und Reuß der jüngeren Linie, deren Herrscher, sie hießen alle Heinrich, in ihren Hauptstädten Greiz und Gera residierten und regierten, Heinrich XXII. von Reuß-Greiz, und Heinrich XXVII. von Reuß-Gera, die im Jahre 1871 Länder mit 89.032 und 45.094 Einwohner waren, während der preußische König über 24.691.085 Untertanen das Zepter seines Gottesgnadentums schwang, Königsberg und Memel auch zum Reich gehörten, und die deutschen Soldaten in den Schlachten des ersten Weltkrieges auf die Melodie der österreichischen Kaiserhymne sangen: Von der Maas bis an die Memel von der Etsch bis an den Belt, Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.

Und in diesen Grenzen des Deutschen Kaiserreiches sehen Männer und Frauen, die sich als Reichsbürger, und die Bundesrepublik als völkerrechtlich, wie verfassungsrechtlich als illegal bezeichnen, ihr Reich, dem nur noch ein Kaiser und Despot fehle, und wahrscheinlich wollte diese große Leere Prinz Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz, es handelt sich um eine Nebenlinie der Dynastie derer von Reuß, mit seiner fabelhaften Persönlichkeit füllen, und sich, das Rätsel wird vor einem deutschen Gericht offenbar werden – vielleicht, zum Kaiser Heinrich-Wilhelm XIII. krönen lassen, aber von wem?

Diese Frage muss schon gestattet sein, wenn Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz, der Stadt in Thüringen, wo seit 1543, es war das Jahr, in welchem Heinrich VIII. von England seine sechste Frau, Catherine Parr, heiratete, und Martin Luther, der geifernde Gottesmann, die Juden in seinem Traktat Von den Jüden und ihren Lügen mit dem Kirchenteufel verglich, ein wohlschmeckendes Schwarzbier gebraut wird – sich nicht selbst, wie Napoleon am 2. Dezember 1804, zum Kaiser krönen wollte.

Wie allgemein bekannt, der deutsche Geschichtsunterricht, auch in den gymnasialen Oberstufen der Länder, ist unübertrefflich, salbte und krönte Papst Leo III. am Weihnachtstag des Jahres 800 in der alten Peters-Basilika, die von Kaiser Konstantin dem Großen in Auftrag gegeben, und um das Jahr 360 von Papst Felix II. eingeweiht wurde, Karl, den König der Franken, zum römisch-deutschen Kaiser, der nicht zuletzt als Sachsenschlächter in die Geschichte einging, und den Sachsen durch seine Missionare, die seinen Schlächtern folgten, den‚ wahren Glauben‘ brachte, denn alle großen Religionen wurden nicht das das Gebet, sondern durch Massenmorde im Namen Gottes, der auf Arabisch Allah heißt, und welcher Götter auch immer, denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem, sondern die Menschen die Götter nach ihrem Ebenbilde, denn Götter sind stumm und bleiben stumm, denn wer hat je einen Gott aus den Wolken des Himmels tönen hören, zum Beispiel: hic est filius meus in quo mihi complacui, das ist mein Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe, oder: ana al’aezam wala `iilah ghayri, ich bin der größte und außer mir gibt es keinen Gott, wamuhamad nabyiy, und Mohammed ist mein Prophet? Wer?

Papst Felix II. war Anhänger des Arianismus, einer Theologie, was ist noch absurder als eine Wissenschaft über Gott? – die von Bischof Arius von Alexandria vertreten wurde, und die beinhaltete, dass Jesus von Nazareth nicht wesensgleich mit Gott, seinem Vater wäre, den dieser vor aller Zeit gezeugt hätte, also zuerst den Sohn, und dann die Welt, und ohne ein Göttin für den Zeugungsakt zur Hilfe zu nehmen. Dieser Jesus, der in Nazareth als Sohn des Zimmermanns Joseph bekannt war, und Brüder und Schwestern hatte, konnte also höchstens ein Halbgott sein, während die Trinitarier, auf dem Konzil von Nicäa des Jahres 325 behaupteten, dass die Gottheit aus drei wesensgleichen Personen bestehen, dem Vater, dem Sohn, eben diesem Jesus von Nazareth, und dem Heiligen Geist, und wer das nicht glaube, des Teufels und des Todes, nein, zuerst des Todes und dann des Teufels wäre, die Reihenfolge ist wichtig. Eine kühne, wie aberwitzige Behauptung, der sich Kaiser Konstantin anschloss und diese Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, wurde zum Glaubensdogma, bis heute. Und jeder Theologe, sprich Gottesgelehrte, ein Fach, das man studieren muss, um Wasser in Wein zu verwandeln, muss dieses Dogma im Credo in Gottesdiensten, immer wieder rezipieren, nämlich die unumstößliche wie ewige Wahrheit, dass die Gottheit, nicht aus einer, sondern aus drei wesensgleichen Personen besteht. Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott, und dabei hatte schon Pontius Pilatus, der römische Gouverneur von Judäa, an diesen Jesus die Frage gestellt: was ist Wahrheit, wie wir im Evangelium des Matthäus lesen, der weder Augen – noch Ohrenzeuge des Geschehens in Jerusalem war.

Wer heute über eine solche Theologie lacht, riskiert nicht viel, jedenfalls nicht in diesem Teil der Welt, dramatischer wird es, wenn man in Doha, Mekka, Riad oder Teheran sich hinstellt und zu behaupten wagt, es könne nicht wahr sein, dass jedem islamischen Märtyrer, der sich mit möglichst vielen Christen in die Ewigkeit sprengt, Jungfrauen erwarten – es sollen zweiundsiebzig sein, warum so wenige? – die nicht altern, von himmlischer Schönheit sind, und sich nach dem acte sexuel, das Wort klingt besser als das deutsche Wort Geschlechtsverkehr, wieder in Jungfrauen verwandeln.

Doch von dem Wort Geschlechtsverkehr, die deutsche Sprache hat schönere Worte, zum Beispiel Liebesakt – Silvio Berlusconi, der seduttore, der Verführer, schöner Frauen aus Mailand würde sagen, atto d’amore – zu Heinrich XIII. von Reuß-Köstritz, dem auch Frauen folgten, zum Beispiel die Richterin und AfD-Kämpferin für eine gerechtere Welt – Birgit Malsack-Winkemann, die als Justizministerin in der Reichsregierung vorgesehen war. Was für ein klangvoller Name. Sollte Birgit Malsack-Winkemann die Reichsbürger in den Reichstag durchwinken, die mit Handfeuerwaffen aller Art die Volksvertreterinnen und Vertreter, bis auf die Damen und Herren der AfD in eine Schockstarre versetzen sollten?

Man stelle sich die Szenen vor. Frank-Walter Steinmeier sitzt mit seiner Frau, Elke Büdenbender, Autorin des Buches: Der Tod ist mir nicht unvertraut, am Küchentisch und sie genießen das Frühstück, und die Tür wird aufgestoßen und wer steht im Türrahmen? Prinz Heinrich XIII. von Reuß, und sagt: erheben Sie sich, Reichsbürger Steinmeier, denn Sie sind ab sofort nicht mehr Präsident, Sie sind verhaftet. Und Frank-Walter Steinmeier, Gerhard Schröder rühmte schon seine Geistesgegenwart, stellt die Fragen an den Eindringling, der ihn in seinem großkarierten Jackett mit Cordhose an einen Lord, beziehungsweise an Dr. Alexander Gauland, den Denker der AfD erinnert, beide müssen den gleichen Schneider haben – bitte, und wer sind Sie? Und der zwölfte Bundespräsident in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmaier, geboren in Detmold, der ehemaligen Landeshauptstadt des Fürstentums Lippe-Detmold, dass auch 1918 unterging, vernimmt, dass er das Vergnügen mit dem vierten Imperator des Deutschen Kaiserreiches, Heinrich XIII. habe, wenn auch zwischen ihm und Kaiser Wilhelm II. eine Lücke von 104 Jahren klaffe, eine Lücke, die jetzt endlich geschlossen werde.

Erst am 21. Februar des kommenden Jahres ist auch die Karnevalssession 2022/23 Geschichte, und die Jecken am Rhein müssen wieder die Rathäuser räumen, auch in Köln, aber Prinz Heinrich XIII. zu Reuß dachte und denkt wahrscheinlich in größeren Zeiträume, auch machte er die Juden dafür verantwortlich – wen sonst? –, dass nach Kaiser Wilhelm II. erst die Weimarer Republik, danach das dritte Reich untergingen, und die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, der erste Arbeiter – und Bauernstaat die Nachfolge des Deutschen Kaiserreiches, der Republik von Weimar und der Diktatur Hitlers antraten, ehe er, Heinrich XIII., der Erlöser auftrat, um die Deutschen von der Demokratie, Freiheit und dem Rechtsstaat endlich und endlos zu erlösen, die den Deutschen durch die Siegermächte des Second War aufoktroyiert wurde.

Man darf gespannt sein, was die Untersuchungen des Falles noch ergeben, und ob Heinrich XIII. ins Gefängnis oder in die Psychiatrie gehen muss, sprich, in eine Anstalt der Seelenheilkunde, in eine mentis institutione eingewiesen wird. Und wer denkt nicht, wenn er an Heinrich XIII. denkt, an Winston Churchill, der uns auch diese Worte hinterließ: Wenn es morgens um sechs Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe.



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