Kulturmanager, Literat & Satiriker


31. Januar 2023

Ein Überlebender von Auschwitz

Am 27. Januar 1945, 94 Tage vor dem Suizid Adolf Hitlers, wurden dessen überlebende Opfer in der Hölle von Auschwitz von der Roten Armee, der Krasnaya Armiya Josef Stalins befreit, und zu denen, welche diese Hölle überlebt hatten, indem sie vorher auf den Todesmarsch in den Westen des untergehenden Reiches getrieben wurden, gehörte auch mein Freund Boris Carmeli, einer der großen Sänger auf den Bühnen und Konzertpodien der Welt, der als Norbert Wolfinger am 23. April 1928 in Obertyn in der Westukraine geboren, am 31. Juli 2009 plötzlich und unerwartet an einem Gehirnschlag starb.

Boris Carmeli lernte ich in Bern kenne. Ich war in die Schweiz gereist, um mich mit Krzysztof Penderecki zu treffen, der in der Eidgenössischen Bundeshauptstadt sein Polnisches Requiem aufführte, und Boris Carmeli sang die Basspartie in dem Opus Pendereckis, dass über einen Zeitraum von mehreren Jahren entstand, vom Lacrimosa, dem Auftragswerk der Gewerkschaft Solidarnoz, über den Satz Libera me, Domine zum Gedenken an die Opfer von Katyn in der Zeit von 3. April bis 11.Mai 1940, es waren die Tage des Grauens, in welchem in einem Wald bei Katyn, westlich von Smolensk tausende gefangene Polen, mehrheitlich Offiziere, von Mitgliedern des Innenministerium der UdSSR erschossen wurden, bis zu dem Satz Ciaconna, das Adagio, welches Penderecki im Jahre 2005 auf den Tod Johannes Paul II. komponierte.

Zu meinen vielen Erinnerungen an meinen Freund Boris Carmeli, gehören nicht zuletzt die MDR-Konzerte im Vatikan, anlässlich der Wahl des Kardinals von Krakau, Karol Józef Wojtyla, zum Pontifex maximus der katholischen Kirche, die, aus Anlass seiner Wahl vom 16. Oktober 1978, am 15. und 20. Jahrestag dieser Wahl, 1993 und 1998, in der Sala Nervi des Vatikans mit Chor und Orchester des MDR stattfanden, und für die ich als Leiter der Hauptabteilung Klangkörper des MDR die Verantwortung trug, wie ich auch mitverantwortlich für das Konzert anlässlich des 3000-Jahrestages der Stadt Jerusalem war, dass der MDR-Chor, als personell größter ARD-Chor, und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit dem Jerusalem Symphony Orchestra unter Leitung von Lorin Maazel uraufführten, und Boris Carmeli in dem Opus Seven Gates of Jerusalem von Penderecki, ein Auftragswerk der Stadt Jerusalem, die Rolle des Sprechers übernommen hatte.

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich Boris Carmeli für Konzerte in Leipzig, und im Rahmen des MDR-Musiksommers, die in den Städten des Sendegebietes der Drei-Länder-Anstalt stattfanden, engagierte, aber ich erinnere mich an den ersten Abend mit ihm und seiner Frau Sonja, einer Schweizerin aus Bern, die er in Los Angeles kennenlernte, als wir auf der römischen Piazza della Rotonda, im Anblick des Pantheon, saßen, wie so oft, wenn wir nach einem Abendessen in der Trattoria Orso ottanta in der Via dell’Orso, wo die Römer unter sich waren, noch einen Cappucio tranken, er bewohnte in einem Palazzo aus dem Quattrocento, unweit des Pantheons, den Piano Nobile, der ihm gehörte, mit saalartigen Räumen, wie für die Ewigkeit gebaut, und ich sein Brandmal auf seinem linken Unterarm entdeckte, und wir nicht über den Tod von Auschwitz sprachen, denn er sprach nie über das, was er dort erleben musste, aber über den Antisemitismus, der Europa seit dem 4. Jahrhundert heimsuchte, seit dem Zeitpunkt, als die Jesus-Sekte zur Staatskirche des Imperiums aufstieg. Und nicht weit von der Piazza della Rotonda und seinem Palazzo, befand sich das jüdische Ghetto, in welchem die Juden Roms hinter hohen Mauern bis zum Jahre 1870 leben mussten, denn der Antisemitismus ist so alt wie die Chiesa cattolica und die Despotie der Päpste, die mit dem „Edikt von Thessaloniki“ des Jahres 380 durch Kaiser Theodosius begann, denn durch dieses Edikt wurde die Kultur Griechenlands und Roms zerstört, und alle anderen religiösen Kulte, wie der Mithras-Kult verboten, der griechische und römische Götterhimmel, wurden eliminiert, wie die Werke der Philosophen, deren Schulen, wie die Gymnasien und Theater geschlossen und die Olympiaden verboten wurden, denn das Christentum war der Vampyr der römischen Kultur und Zivilisation, wie nicht erst Friedrich Nietzsche in seinem Buch Der Antichrist die Nachwelt wissen ließ.

Der Kirchenstaat der Päpste, gegründet im Jahre 756 und als Schenkung von Sutri durch den Frankenkönig Pippin den Jüngern in die Geschichte eingegangen, dem Sohn Karl Martells, der als Sieger in der Schlacht von Tours und Poitiers im Oktober 732 über die Mauren unter Ab dar Rahman, triumphierte, und so verhinderte, dass das Christentum zu einer Randnotiz der Geschichte wurde, dauerte bis zum Jahre 1870; also 1.114 Jahre Terror ohne Ende im Namen des Gottes, der aus Vater, Sohn und heiligem Geist besteht, der Einheit in der Dreiheit, der Santa Trinità, wie das Konzil von Nicäa im Jahre 325 unter dem Vorsitz Konstantin I. entschied, beziehungsweise der Kaiser entschied kraft seines Amtes, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde aus drei Personen in der Einheit bestehe, und wer es nicht glaubte – was ist absurder, als dieser Glaube? – riskierte sein Leben, bis zur Abdankung Papst Pius IX. als Despot über Rom, der in seinem „Syllabus errorum“ selbst die Freiheit des Gewissens und der Gedanken, la libertà di coscienza e di pensiero, als nicht vereinbar mit den Geboten Gottes, sprich seiner päpstlichen Allmacht, sua onnipotenza papale, erklärte, und die Juden als Feinde Gottes und der Kirche, come nemici di Dio e della Chiesa, diffamierte, wie alle heiligen Väter vor ihm und nicht wenige nach ihm, dabei war der erste Papst ein Jude, über dessen Grab sich die größte Kirche der Welt mit der Kuppel Michelangelos erhebt.

Adolf Hitler war weder ein Sonder – noch Einzelfall in der Geschichte des Antijudaismus, beziehungsweise des Antisemitismus des christlichen Europas, denn die Kirchenväter waren alle, und ohne Ausnahme Antisemiten, obwohl sie einen Juden als Gott anbeteten, bis heute.

Schon Kirchenlehrer Justinus, um das Jahr 100 in Palästina geboren, gestorben im Jahre 165 in Rom, behauptete, dass die Juden nicht nur schuld an dem Unrecht wären, dass sie selbst zu verantworten hätten, sondern auch schuldig seien an allen Untaten, die Nichtjuden begehen würden, eine Behauptung, die bis heute zu hören ist, nämlich: Die Juden sind an allem schuld, und darum brannten auch die Synagogen in Deutschenland an Martin Luthers 455. Geburtstag, der Nacht auf den 10. November 1938, als Reichskristallnacht in die Historie eingegangen, einem der größten Judenhasser in der Geschichte des christlichen Abendlandes, sondern schon unter Ambrosius, einem der vier offiziellen Kirchenlehrer der Romanae Ecclesiae der, von 374 bis 397 Erzbischof von Mailand, sich rühmte, die Synagogen der Stadt höchst selbst angezündet zu haben, zum Lobe Jesus Christus, des Erlösers, der weder als Römer noch als Christ auf die Welt kam, sondern als Jude, eine Tatsache, die bis heute immer wieder Erstaunen hervorruft, doch wie steht im Römischen Katechismus des Jahres 1992, erarbeitet durch hochrangige Theologen unter dem Vorsitz Joseph Kardinal Ratzingers: Wir glauben und bekennen: Jesus von Nazareth, ein Jude, zur Zeit des Königs Herodes des Großen und des Kaisers Augustus von einer Tochter Israels in Bethlehem geboren, von Beruf Zimmermann und während der Herrschaft des Kaisers Tiberius unter dem Statthalter Pontius Pilatus in Jerusalem am Kreuze hingerichtet, ist der menschgewordene ewige Sohn Gottes.

Die Inhalte des Glaubens der Päpste, die seit dem 1. Vaticanum des Jahres 1870 auch offiziell als unfehlbar, infallibile in materia di fede, in Fragen des Glaubens gelten, fußen auf jüdischen Glaubensvorstellungen, dem Glauben der Erzväter Israels, welche da sind Abraham, Isaak und Jakob, den Engelheeren, die noch niemand entdeckte und auch nicht entdecken wird, Moses, sein Leben ist von Mythen umrankt, wie der Auszug der Zwölf Stämme Israels aus Ägypten, die Propheten, die geschichtlich greifbar sind, und das Vaterunser, doch weil die Juden sich zum „einzig wahren Glauben“ nicht bekehren ließen oder wollten – was nachvollziehbar, denn was ist Wahrheit? – fragte schon Pontius Pilatus den Mann aus Nazareth in Galiläa, nachdem dieser angeblich gesagt: „wer aus der Wahrheit ist, der hört auf meine Stimme“ – der Evangelist, dem wir die Story verdanken, Matthäus, war weder Zeit – noch Ohrenzeuge – wurden sie durch die Religion der „Nächstenliebe“ durch die Jahrhunderte des christlichen Europas verfolgt.

Eine absolute Wahrheit gibt es nur für Fanatiker, und vom blinden Glauben leben die Priester und Imame, ob in Roma, Mekka, Riad, Teheran oder Berlin-Neukölln, denn der christliche Judenhass ist so alt, wie die römische Kirche, und der Hass der Islamisten auf die Juden begann, als die jüdische Gemeinde von Medina die Bekehrungsversuche Mohammeds, des Propheten Allahs, ablehnte.

Die frühen Synoden der Kirche von Rom beschlossen vom Hass diktierte Maßnahmen gegen die jüdischen Mitbürger, deren Religion die älteste der abrahamitisch-monotheistischen Religionen ist, denn in Rom gab es bereits eine jüdische Gemeinde aus der Zeit des Judas Makkabäus, dem Priester und Anführer des Aufstandes gegen den Seleukiden-König Antiochus IV. und dessen Hohepriester Menelaos, weil die Juden ihrer Religion und ihren Gesetzen treu blieben. Judas Makkabäus ist bekannt, als Held des gleichnamigen Oratoriums von Georg Friedrich Händel, weniger bekannt ist, dass das VI. Konzil von Toledo des Jahres 638 die Zwangstaufe aller in Spanien leben Juden anordnete und das XVII. Konzil von Toledo des Jahres 694 die Juden zu Sklaven der Kirche erklärte und ihre Kapitalien konfiszierte, wie Adolf Hitler, der in der arabisch-islamischen Welt als größter Deutscher verherrlicht wird. Und wer denkt, wenn er an den Judenhasser Hitler denkt nicht an die Päpste, die einen Juden als Gott anbeteten, anbeten und anbeten werden, und dessen Volk in blindem Hass verfolgten, bis zu Johannes Paul II. der am 13.April 1986 als erster Papst die große Synagoge von Rom betrat, und sich am 12. März des Jahres 2000 für die Verbrechen seiner Kirche an den Juden mit den Worten entschuldigte: Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller, die im Laufe der Geschichte deine Söhne und Töchter leiden ließen. Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen, das echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes.

Die letzten Worte Benedikt XVI. sollen gewesen sein: Gesù – ti amo, Jesus – ich liebe dich, und der Wahlspruch des Marien-Papstes Johannes Paul II., der auch sein Wappen zierte, war: Totus tuus, Alles deins, und bezog sich auf die Gottesmutter Maria. Und die Mutter des Herrn war bekanntlich eine Jüdin, denn wie lesen wir im Katechismus der Kirche: Weil sie dem Willen des Vaters, dem Erlösungswerk ihres Sohnes und jeder Anregung des Heiligen Geistes voll und ganz zustimmte, ist die Jungfrau Maria für die Kirche das Vorbild des Glaubens und der Liebe, sie stellt das Urbild der Liebe dar.

Die Jungfrau und Gottesmutter Maria wird nicht nur in Altötting und Tuntenhausen im Landkreis Rosenheim seit Jahrhunderten verehrt, nein, auch in Lourdes, Kevelaer und Loreto, wie auch in Fátima, und es ist die Madonna von Fátima, unter deren Schutz Papst Franziskus die Ukraine stellte, eine Tat, für die ihn wahrscheinlich Kyrill, der Patriarch von Moskau und der ganzen Rus, der Wladimir Putin als Geschenk Gottes, v podarok ot Boga, in seinen Gottesdienstes lobt und preist – mit einem Verfluchungsgebet, proklyatiye molitva bedachte, denn schon immer haben sich römischen Päpste und Patriarchen von Konstantinopel und Moskau gegenseitig exkommuniziert, und ob sich der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskij bei Franziskus für den Schutz der Madonna von Fátima bedankte, ist nicht bekannt, er scheint jedoch als ehemaliger Komiker deutschen Leopard-Panzern mehr zu vertrauen als dem Schutz der Madonna von Fátima, was nachvollziehbar, obwohl er zur jüdischen Bevölkerung der Ukraine gehört. Und in der Ukraine lebten bis zum Überfall – nein nicht Putins, sondern Adolf Hitlers mehr als 2,7 Millionen Juden. Heute sind es noch circa 200.000 und einer von ihnen ist Wolodymyr Selenskij, der als Komiker auch in Russland eine Berühmtheit ist.

Boris Carmeli gehörte zu denen, die Auschwitz überlebten, und der zu denen gehörte, die auf den langen Todesmärschen der letzten Überlebenden von Auschwitz nach Westen getrieben und bis Bergen-Belsen gelangten, wo er aus den Mörderhänden der SS acht Tage vor seinem 17. Geburtstag, dem 23. April befreit wurde.

Auf die Frage, wohin er ausreisen wolle, sagte er nach Paris und nicht nach Magdeburg, wo er von 1932 bis 1938 gelebt hatte. Und auf den Champs-Élysée traf er zwei seiner Cousinen, die auch Adolf Hitler und seinen Schergen entkamen, die ihm sagten, dass seine Eltern in Rom untergetaucht wären. Und er gelangte bis Rom, und fand seine Eltern in der Stadt Pius XII., der zu dem Mord an den Juden schwieg, dass es bis heute nachhallt, und der Erzbischof Alois Hudal, beauftragte, dass Männer wie Adolf Eichmann, Franz Stangl und Dr. Joseph Mengele, drei von hunderten und tausenden Massenmördern des Faschismus mit Diplomatenpässen des Vatikans ausgestattet, die Flucht auf der Klosterlinie, auch Rattenlinie genannt, nach Südamerika gelang.

Und wer war Erzbischof Alois Hudal, den Pius XII., der am 1. November 1950 das Dogma von der leiblichen Aufnahme der Jüdin, Jungfrau und Gottesmutter Maria in den Himmel ihres Sohnes, des Juden Jesus verkündete, mit der Aufgabe betraute als Fluchthelfer der Massenmörder an den Juden Europas tätig zu werden?

Alois Hudal wurde 1885 in Graz geboren, wurde Rektor des deutschen Priesterkollegs Santa Maria dell’Anima in Rom, war Mitglied des antisemitischen Geheimbundes Deutsche Gemeinschaft, und strebte eine Symbiose zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus an, nachzulesen in seinem Buch: Die Grundlagen des Nationalsozialismus, versehen mit der Widmung Dem Führer der deutschen Erhebung und Siegfried deutscher Hoffnung und Größe, das ihn zum Hoftheologen der Nazis erhob.

Mein Buch Hitlers Päpste endet mit dem Gespräch Erzbischof Alois Hudals, der auf dem Campo Santa Teutonico des Stato Pontificio begraben wurde, er starb am 13. Mai 1963 in Grottaferrata, mit Adolf Eichmann und folgendem Dialog:

„Eine Frage, Signor Eichmann: Hätte Pius XII. den Mord an den Juden Europas verhindern können, wenn er für sie die Stimme erhoben und den Führer des Völkermordes angeklagt hätte? Was denken Sie?“

„Ich denke ja, denn der Führer und Heinrich Himmler waren ja Katholiken.“

„Und bekennen Sie sich schuldig, Signor Eichmann?“ Alois Hudal, der Erzbischof, lächelte ironisch.

„Ich bin unschuldig. Ich habe die Befehle meiner Vorgesetzten umgesetzt. Ich war SS-Obersturmbannführer. Ich konnte das Töten der Juden weder verhindern noch behindern. Nur der Papst konnte es, Eminenz. Aber der Papst hat geschwiegen.“

Adolf Eichmann hörte plötzlich das Ticken der Barockuhr und zitterte, doch nicht unmerklich genug für die wachsamen Augen des Hohepriesters.

„Ich habe für Sie den Namen Riccardo Klement ausgesucht. Gefällt Ihnen der Name?“

„Ich nehme jeden Namen an, Eminenz, den Sie mir geben, aber ich säße nicht hier, denke und glaube ich, wenn Pius XII. nicht geschwiegen hätte. Aber der Papst hat, Gott sei Dank, geschwiegen.“



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