Kulturmanager, Literat & Satiriker


03. September 2021

Siegfried Matthus

lernte ich im Jahre 1981 in Berlin kennen, denn als Orchesterintendant und Verwaltungsdirektor der Münchner Philharmoniker war ich in die DDR gereist, nicht nur um mit dem Generaldirektor der Künstleragentur der DDR, Hermann Falk, über Konzerte der Münchner Philharmoniker unter der Leitung Sergiu Celibidaches in Berlin, der Hauptstadt der DDR, sondern auch in Dresden, Leipzig und Karl Marx-Stadt zu verhandeln – ich habe Hermann Falk, den ich auch in Tokyo, Mailand, Wien und New York treffen sollte, in bester Erinnerung – ,sondern auch, um Siegfried Matthus einen Kompositionsauftrag für die Eröffnung der Philharmonie am Gasteig anzubieten.

Und Siegfried Matthus schlug mir ein Werk für Orchester vor und hatte auch schon einen Titel Die Windsbraut, nach einem Gemälde von Max Ernst und einen Dirigenten, der die Uraufführung dirigieren solle – Kurt Masur, den berühmten Gewandhauskapellmeister, den ich zwei Tage zuvor in Leipzig kennenlernte, und mir voll Stolz das Neue Gewandhaus gezeigt hatte.

Im Jahre 1981 konnte sich niemand eine Einheit der Deutschen vorstellen und auch ich hätte den Gedanken, dass ich zehn Jahre später als Leiter der Hauptabteilung Klangkörper des MDR von Hamburg, wo ich ab 1988 Manager des NDR-Sinfonieorchesters war, nach Leipzig gehen würde, in das Reich bodenloser Phantasien verwiesen.

Die zweite Begegnung mit Siegfried Matthus, anlässlich der Vertragsunterzeichnung über den Kompositionsauftrag fand im gleichen Jahr wieder in der Mitte Berlins statt, diesmal mit Kurt Masur, der in der Komischen Oper das Ballett Romeo und Julia von Sergej Prokofjew dirigierte, und wir gingen nach der Aufführung in Restaurant Ganymed, eines der wenigen Lokale in der Hauptstadt der DDR, wo man mit dem Klassenfeind essen konnte, und kurz vor 24.00 Uhr erschrak der Klassenfeind Hubertus Franzen, denn ich musste noch vor Mitternacht das Paradies der Werktätigen verlassen haben, wollte ich nicht im Hotel von Erich Mielke, dem Luxushotel zum Stasi übernachten.

Doch Kurt Masur bedeutete mir, dass ich nicht in Panik verfallen solle, und weit nach Mitternacht fuhr mich sein Chauffeur im schwarzen Volvo an die Grenze zwischen Ost – und Westberlin, und ein Zauberwort des Chauffeurs, war er ein Mitarbeiter Mielkes? – sagte den Staatsschützern wer ich sei, und die Schlagbäume, ich glaube es waren drei, wie aller guten Dinge, öffneten sich wie von Zauberhand, während ich mich in einem James-Bond-Triller wähnte, denn auch meinen Pass und Passierschein wollten die Schutzmänner des sozialistischen Deutschlands nicht sehen – ich konnte nur staunen.

Siegfried Matthus und ich wurden Freunde und an irgendeinem Tag im Sommer des Jahres 1983 saß ich in seinem Wartburg und wir fuhren von Berlin-Pankow, wo er eine hochherrschaftliche Wohnung aus der Kaiserzeit besaß, nach Rheinsberg und zu seiner Datscha in Stolzenhagen.

Rheinsberg, wo Friedrich der Große lebte, war im Jahre 1983 so trist wie die ganze DDR und dort, so träumte Siegfried Matthus, wolle er ein Festival gründen und 1990 gründete Siegfried Matthus mit Freundinnen und Freunden, auch ich gehörte dazu und war Mitglied des Kuratoriums, wie Daniel Barenboim, Kurt Masur und Christian Thielemann, die Kammeroper Schloss Rheinsberg und im Jahre 1991 reiste ich weder von München, noch Hamburg, sondern von Leipzig nach Rheinsberg, um die Oper Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke zu erleben, die Matthus für die Eröffnung der Semper Oper komponierte, und mit der die ersten Festspiele der Kammeroper Schloss Rheinsberg eröffnet wurden.

Die Symphonische Dichtung Die Windsbraut, das Auftragswerk der Münchner Philharmoniker, wurde während der Eröffnungswochen der Philharmonie München im Herbst 1985 durch Kurt Masur uraufgeführt, und für das Konzert hatte ich das Gewandhausorchester Leipzig verpflichtet, der das Werk bei seinen weltweiten Gastdirigaten und als Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker immer wieder aufführte.

Die Kammeroper in Rheinsberg wurde zu einer einzigartigen Bühne für junge Sängerinnen und Sänger, und die Liste der Titel und Preise, die Siegfried Matthus erhielt, darunter im Jahre 1970 den Kunstpreis der DDR und 1979 den Vaterländischen Verdienstorden, den Nationalpreis der DDR 1972 und 1984, wie im Jahre 2000 das Verdienstkreuz I. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und 2015 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, sind lang.

Siegfried Matthus hinterließ so viele Werke wie Wolfgang Amadeus Mozart, nämlich mehr als 600 Kompositionen, der am 13. April 1934 in Mallenuppen in Ostpreußen, bei Insterburg und Gumbinnen, Orte, die heute zu Russland gehören, geboren wurde, und am 27. August des Jahres 2021 in seinem Landhaus in Stolzenhagen sein Leben vollendete, und im Jahre 1984 Ehrenbürger von Rheinsberg, der Stadt, die durch Friedrich den Großen und durch das Buch Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte von Kurt Tucholsky bekannt wurde.

Friedrich II., der König von Preußen, hat seine Jahre in Rheinsberg als die „glücklichste Zeit seines Lebens“ bezeichnet, die von 1736 bis zu seiner Thronbesteigung im Jahre 1740 dauerte, und der das Schloss 1752 seinem jüngeren Bruder Friedrich Heinrich Ludwig von Preußen schenkte, der nicht nur in den Kriegen gegen Maria Theresia von Österreich eine bedeutende Rolle spielte, er war Sieger in der Schlacht von Freiberg in Sachsen am 29. Oktober des Jahres 1762, er war auch Sonderbotschafter seines Bruders und reiste nach Sankt Petersburg, um mit Kaiserin Katharina II., der Großen, der deutschen Prinzessin von Anhalt Zerbst, über die Teilung Polens zu verhandeln, die ihm die Krone der polnischen Könige anbot, die er jedoch mit Rücksicht auf seinen Bruder ablehnte.

Zu den Werken, die Siegfried Matthus der musikalischen Welt hinterließ, gehört auch die Oper Kronprinz Friedrich, die am 30. Dezember 1999 im wiederaufgebauten Schlosstheater in Rheinsberg uraufgeführt wurde, die im November des Jahres 1730 spielt und die Hinrichtung des Leutnants von Katte zum Inhalt hat. Und die Überraschung ist, dass Friedrich und Leutnant von Katte von Mezzosopranistinnen gesungen werden.

Friedrich, der König von Preußen, gesungen von einer Frau, der an seinem Hofe in Potsdam keine Frauen duldete, einer der Gründe, warum sein Kammerherr – Monsieur Voltaire das Leben in Potsdam als unerträglich empfand, und es vorzog, eine Wohnung auch in Berlin zu haben.

Vier Namen sind mit Rheinsberg untrennbar verbunden, Friedrich der Große, sein Bruder Heinrich, Kurt Tucholsky und Siegfried Matthus, der im Jahre 2021, am 27. Tag im Monat August sein Leben vollendete, dessen Musik jedoch weiterleben wird und mit ihm sein Name in der Welt der Musik.



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